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Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Nach dem Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Farris Smith
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hofften auf Erlösung.

46
    Unterhalb von Evans Fenster löste sich das Vordach, wurde mit einem lauten Knacken und einem metallischen Stöhnen aus der Halterung an der Backsteinwand gerissen und flog davon. Die Leute, die jetzt noch draußen herumlungerten, suchten nach einem Unterschlupf, während der Wind über den Platz fegte und Stück für Stück von den umliegenden Vordächern abriss und wegtrug. Und als wäre das Anschwellen des Sturms ein Startsignal für sie gewesen, begannen Charlies Männer gegen die Tür zu treten, bis der Rahmen zersplitterte und sie ins Zimmer konnten.
    In den vergangenen Stunden hatte Evan genau darauf geachtet, wie der Sturm an Stärke zugenommen hatte, und schließlich Brisco aufgeweckt. Brisco weinte und jammerte, weil er lieber schlafen wollte, aber Evan befahl ihm, sich anzuziehen. Hol deine Schuhe, deinen Mantel und deine Mütze. Meckere nicht rum, sondern tu es einfach. Als die Männer ins Zimmer eindrangen, saßen die beiden Jungs auf dem Bett. Brisco drängte sich an seinen Bruder. Er hatte Angst vor dem Sturm und davor, dass sie hinausmussten, wie Evan ihm erzählt hatte. Er fürchtete sich, weil Evan ihm nicht sagen wollte, warum sie hier wegmussten. Evan trug seine Jacke und hatte die Hand in der Tasche, in der die Pistole steckte.
    »Ihr braucht nicht aufzustehen«, sagte der Mann mit dem Muttermal. Der andere kam hinter ihm herein und fing an, in den Schränken und Kommoden herumzusuchen, wühlte ihre Kleiderstapel in der Ecke durch und wurde wütend, weil er nichts fand. Er ging in das andere Zimmer, während der Mann mit dem Muttermal am Fußende des Betts verharrte und Evan anstarrte. Er hatte den wilden Blick eines übernächtigten Mannes, und seine Oberlippe zitterte.
    »Heilige Scheiße«, rief der Mann aus Cohens Zimmer. »Ich hab den verdammten Jackpot geknackt.«
    »Was hast du gefunden?«
    »Gewehre und eine abgesägte Schrotflinte. Heiliger Strohsack.«
    »Bring sie her.«
    »Verdammt, hier ist auch eine Pistole.«
    Der kleine Mann kam zurück in Evans Zimmer. In den Armen hielt er die Gewehre und die Schrotflinte, und darauf lagen einige Schachteln Munition. Cohens Pistole steckte in seiner vorderen Hosentasche.
    »Ich hab doch gewusst, dass ihr hier was Interessantes habt«, sagte er, während er sich die Remington vornahm, eine Handvoll Patronen nahm und sie lud. Dann richtete er sie auf Evan.
    Evan umarmte Brisco und sagte: »Zielen Sie nicht damit auf mich oder auf ihn. Sie haben doch, was Sie wollten, jetzt gehen Sie wieder.«
    »Wir haben aber noch nicht alles«, sagte der Mann mit dem Muttermal. Draußen wurde ein Stück Dach gegen die Hauswand geschleudert und zerschmetterte ein Fenster in Cohens Zimmer. Brisco schrie, und alle zuckten zusammen.
    Evan setzte sich auf und rief: »Hören Sie auf! Gehen Sie endlich!«
    »Er hat recht. Lass uns abhauen«, sagte der kleine Mann und ging auf die Tür zu. Der andere packte ihn und sagte, wir gehen nirgendwo hin.
    »Sie bleiben aber nicht hier«, sagte Evan.
    Der Regen und der Wind drängten durch das zerbrochene Fenster, und der Mann sagte: »Ich geh bestimmt nicht da raus, das steht fest. Abgesehen davon habt ihr noch mehr. Ich hab doch gesehen, dass euer Kumpel dir was zugesteckt hat. Wo ist das?«
    »Ich hab nichts.«
    »Er hat überhaupt nichts«, schrie Brisco.
    »Halt den Mund.«
    »Lass uns abhauen«, sagte der kleine Mann.
    »Wo ist das Zeug?«, fragte der Mann. »Vielleicht ein paar Dollar?« Er richtete die Flinte auf Evan. Der Wind heulte durch das zerbrochene Fenster.
    »Du verdammter Feigling«, sagte Evan.
    Der Mann mit dem Muttermal schaute Evan erstaunt an. Dann warf er seinem Partner einen Blick zu und lachte. Er wandte sich wieder an Evan und fragte: »Was hast du gesagt?«
    »Ohne das Gewehr trauen Sie sich gar nichts.«
    »Ist doch egal, ob ich mich was traue oder nicht, ich hab’s halt.«
    »Komm jetzt, verdammt«, sagte der Kleinere.
    »Ich komme noch nicht. Hast du etwa Geld?«
    »Charlie wird uns schon noch was geben.«
    »Wir werden Charlie nie mehr wiedersehen. Der Junge hier hat einen Haufen Scheine, und die werd ich mir holen.« Er richtete die Waffe über die Köpfe der Jungs und feuerte. Putz und Mörtel regneten auf Evan herab, als er sich über Brisco warf.
    »Wo ist es?«, fragte der Mann.
    Evan blieb über Brisco gebeugt. Bewegte sich nicht und gab keine Antwort.
    Der Mann senkte die Waffe, zielte dichter an Evans Kopf vorbei und feuerte wieder. Diesmal brach ein Stück

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