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Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Nach dem Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Farris Smith
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Regen gedämpft, und das Pferd kam nicht.
    Sie gingen zurück zur Tankstelle und krochen wieder unter den Tresen. Der Regen trommelte rhythmisch auf das stehende Wasser. Er starrte nach draußen, und eine Ahnung überkam ihn, dass er, noch bevor die Nacht hereinbrach, sterben sollte. Er wusste nicht, wie es passieren würde, aber dass es unweigerlich so kommen musste. Etwas würde hier eindringen, etwas Hungriges, Wildes, würde ihn wittern, finden und ihn mit seinen Zähnen und Klauen zerfetzen. Oder sein Fieber würde etwas in seinem Kopf explodieren lassen und ihn ausknipsen, und er würde mit dem Kopf zuerst ins Wasser fallen. Oder er würde einschlafen und nie mehr aufwachen, weil sein Körper und sein Geist und sein Herz das alles nicht mehr ertrugen. Oder dieser gottverdammte Regen würde sein Gehirn aufweichen, bis er nur noch in der Lage war, sich ein tiefes Loch zu suchen, wo er den Kopf reinstecken konnte, um ihn nie mehr herauszuholen. Er fühlte sich, als würde er dem Ende der Welt beiwohnen, an einem Ort, wo schon lange kein Licht mehr war und wo unbekannte Kreaturen durch die ewige Nacht huschten und ihre Instinkte benutzten, um sich gegenseitig aufzufressen. Es war eine Welt, die dem Menschen unbekannt war und voller Gefahren für ihn, eine Welt, die von ihrem Schöpfer vergessen worden war. Die Gewissheit, an diesem Ort sterben zu müssen, nagte zunächst noch an ihm, aber dann nahm er es hin und wurde apathisch. Es gab ohnehin nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnte. Und auch nichts, wofür es sich zu sterben lohnte. Er würde einfach an diesem vergessenen Ort zugrunde gehen und ein Teil seiner Geschichte werden, um die sich niemand kümmerte.
    Das Wasser tropfte aus seinen Haaren, lief ihm über Gesicht, Arme und Beine. Drang bis unter seine Haut. Bis auf seine Knochen.
    Er schaute den Hund an und sagte: »Ich verstehe das nicht.« Dann fiel er auf die Seite und legte die Arme über den Kopf. Er tastete mit den Fingern die rote Strieme an seinem Hals ab, während der Regen unaufhörlich auf ihn prasselte. Er war viel zu müde, um denken zu können. Völlig unterkühlt und total durchnässt lag er da und schlief schließlich ein.
    Stunden später erwachte er wieder und setzte sich auf. Er massierte sich die Schulter, wischte sich mit den Händen über das Gesicht und entschied, dass es an der Zeit war, aufzustehen und zu der Kapelle zurückzukehren, wo sich noch etwas zu essen befand. Dort würde er sich hinsetzen, etwas essen und Wasser trinken. Vielleicht war ja das Dach noch halbwegs in Ordnung, und er konnte sich trockene Sachen anziehen. »Und wenn ich das erledigt habe«, sagt er zu dem Hund, »dann hauen wir ab.«

12
    Mariposa konnte nicht schlafen, und ihr Kiefer schmerzte, weil sie ihn während der schlimmsten Phase des Sturms fest zusammengebissen hatte. Sie stand auf und schaute nach draußen, aber es gab nichts Neues zu sehen. Zumindest war es jetzt hell geworden, und darauf hatte sie sehnsüchtig gewartet.
    Sie hatte die ganze Zeit dagelegen mit dem großen Umschlag in der Hand, den sie ganz unten in dem Schuhkarton gefunden hatte. Sie hielt ihn fest, dachte darüber nach, fragte sich, was wohl darin war, aber sie traute sich nicht, ihn zu öffnen, weil sie wusste, dass der Inhalt wahrscheinlich eine Enttäuschung wäre. Schließlich siegte ihre Neugier, und sie wartete nur noch auf genügend Licht, um den Umschlag zu öffnen und hineinzuschauen. Es stellte sich heraus, dass sie nicht enttäuscht wurde.
    Eine Besitzurkunde für ein Haus und das dazugehörige Land befand sich darin, eine amtliche Eheerlaubnis, sein und ihr Reisepass, beide mit einem italienischen Visum-Stempel. Außerdem ein Brief vom Staate Mississippi, in dem ihm ein Angebot für sein Haus und sein Land unterbreitet wurde. Ein anderer Brief, der drei Monate später datiert war, kam von der US-Regierung und machte ein leicht erhöhtes Angebot für seinen Besitz. Ein weiterer Brief drohte ihm, dass er, wenn er das Angebot nicht annahm, alle Rechte an dem Land verlor. Der letzte Brief schließlich wies ihn darauf hin, dass die Zeit für das Angebot verstrichen war, erlaubte ihm aber, das Recht an seinem Besitz aufrechtzuerhalten, bis er es im gleichen Moment verlor, wenn die Linie offiziell gezogen wurde. Sollte die Region südlich der Linie wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden, würden die Rechte an seinem Land wieder an ihn zurückfallen.
    Es war auch ein Totenschein darin. Des Weiteren

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