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Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Nach dem Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Farris Smith
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wieder zurück. Aber der Hund nahm ihn nicht zur Kenntnis und trottete neben ihnen her.
    Auf dem Rücken des Chorhemds prangte ein goldenes Kreuz. Damit sah Cohen aus wie ein mittelalterlicher Kreuzritter, der im Namen des Allmächtigen ein gottloses Land durchquerte. Drei Tage lang ertrug er den Regen, ritt auf seinem Pferd immer weiter auf der Suche nach dem Jeep und den beiden, die ihn gestohlen hatten. Die meiste Zeit jedoch vermied er es, mit anderen Personen zusammenzutreffen, die in seiner Nähe auftauchten. Es war jetzt in der Nähe der Küste mehr los als in der ganzen letzten Zeit, seit der Proklamation der Linie. Es war einiges in Bewegung an den Stränden und im Ödland dahinter, wo einst die Casinos, Hotels und Restaurants standen. Sogar in den zerstörten Überresten von Gulfport und Umgebung war etwas los, dabei gab es dort nichts mehr außer Betonfundamenten und Schornsteinen. Er versteckte sich vor ihnen und beobachtete sie. Gruppen von Männern standen hier und da herum und gruben. Manchmal ertönten Schüsse, die Männer gingen in Deckung, verschanzten sich oder fuhren hastig in alle Richtungen davon. Solche Vorgänge beobachtete er mehrmals am Tag, und er hatte keine andere Möglichkeit, als sich zu verstecken und durch den Regen hindurch zuzuschauen, wie sie sich wegen einer Legende zum Narren machten.
    Er suchte eher weiter entfernt von den Stadtgrenzen und in der Umgebung seines Hauses, außerdem in einem einige Meilen breiten Gebiet um die Überflutungen herum, ausgehend von der Stelle, wo sie ihn sich selbst überlassen hatten. Er folgte Landstraßen und Feldwegen und zerborstenen Highways, die er schon sein ganzes Leben lang kannte, aber alle führten nirgendwohin, und das Gebiet, das er absuchen musste, war einfach zu groß. Immer wieder wurde er von Fieberanfällen gepackt, und ihm tat der ganze Körper weh. Vor allem seine Schulter schmerzte mehr als alles andere, und er musste immer auf der anderen Seite schlafen.
    Eine Weile fand er Unterschlupf in einer größtenteils erhaltenen Tankstelle mit Garage am Rande von Gulfport. Die Werkstatttore waren verkeilt, also zündete er nachts ein Lagerfeuer in der Garage an, wo der Rauch durch die Lücken im Metalldach verflog. Das Dach leckte überall, die Wassertropfen platschten beständig auf den Betonboden. Nachts schlief er unter dem Tresen im Verkaufsraum, sein Pferd und der Hund blieben in der Garage. Der Wind blies heftig, und der Klang des hin und her schwingenden Dachs machte ihn nervös, weshalb er in der zweiten Nacht den Hund draußen ließ, damit er sich nicht unnötige Gefahren einbildete. Während seiner Suche hatte er einige nützliche Dinge zusammengetragen – Kleider, Dosen mit Lebensmitteln, ein Feuerzeug, eine Axt und ein längeres Stück Tau. Einige Dinge hatte er behalten, nicht, weil sie nützlich waren, sondern weil er sie interessant fand – ein Kaffeebecher mit einem aufgedruckten Bild von Zwillingsmädchen darauf, ein Football-Trikot von den Saints mit verblichenen Autogrammen, ein Paar Rollschuhe und eine CD von Merle Haggard. Abends saß er dann in der Garage am Feuer, schaute sich die Fundstücke an und stellte sich vor, zu welchem Leben sie gehört hatten. Wie hatten die Zwillinge wohl geheißen, und wer war zuerst geboren worden? Welches Kind fuhr heutzutage schon noch auf Rollschuhen? Der Junge mit dem Trikot, wie er vor dem Geländer stand, den Football unterm Arm, mit hoffnungsvollem Gesichtsausdruck, als die Spieler kurz anhielten und Autogramme gaben. Der derbe Kerl oder alte Mann, der mit einem Glas Schnaps in der Hand auf der Veranda saß und in den Sternenhimmel starrte, während im Hintergrund die Musik von Merle Haggard lief. Die Frau, die zu ihm raus kam, sich neben ihn setzte. Die Hände, die wortlos zusammenfanden. Nur das Lied war zu hören, und man konnte die Ruhe spüren, die zu diesen beiden Menschen gehörte, die einander liebten. Er bewahrte die Dinge auf einem Regal in der Garage neben den leeren Ölfässern und dem Steckschlüsselset auf.
    Als er sich am Ende des fünften Tages zum Schlafen hinlegte, war er überzeugt davon, dass sie weg waren. Wohin, war ganz egal. Sie waren einfach weg, und der Jeep war auch weg, und es wurmte ihn immer noch, dass sie seinen Wagen so einfach bekommen hatten. Am Morgen des sechsten Tages aß er eine Dose mit Pfirsichen zum Frühstück. Dann hörte der Regen kurz auf, bevor ein neuer Sturm anrückte.
    Das Unwetter brach mit aller Gewalt los, und er bemerkte

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