Nach dem Sturm: Roman (German Edition)
Begabungen ausspielen konnte.
Inzwischen besaß er sogar einen Bagger, was seine Erwartungen und seine Besessenheit nur noch verstärkte. Er erklärte seinen Mitarbeitern, dass es jetzt vor allem darauf ankäme, das vergrabene Geld zu finden. Er musste nicht viel Überzeugungskraft aufbringen, denn sie waren es leid, Tag für Tag Charlies Eigentum vor Plünderern zu schützen. Er erklärte ihnen, dass es durchaus schwierig werden könnte. Erklärte ihnen, dass es akzeptabel wäre, erst zu schießen und dann Fragen zu stellen. Erklärte ihnen, dass es ihnen umgekehrt genauso ergehen könnte. Erklärte ihnen, dass alle, die den Bagger zu Gesicht bekamen, ihn auch haben wollten. Erklärte ihnen, dass man hier schon ziemlich viele Idioten wegen hundert Dollar umgenietet hatte, von einer Million ganz zu schweigen. Er erklärte ihnen, dass sie auf alles vorbereitet sein sollten. Erklärte ihnen, dass sie nach getaner Arbeit mit einigen hunderttausend Dollar rechnen konnten. Danach musste er ihnen überhaupt nichts mehr erklären.
Charlie und seine Leute begannen am östlichen Ende der Küste. Wenn sie ein Casino-Grundstück identifiziert hatten und man dort graben konnte, dann gruben sie. Charlie setzte sich in den Bagger, und seine Leibwächter bildeten einen Kreis und hielten Wache, die Finger immer am Abzug. Charlie grub ein Loch und fuhr ein Stück weiter. Grub ein Loch und fuhr weiter. Immer wieder, bis das ganze Casino-Grundstück aussah, als wäre es von Riesenmaulwürfen umgegraben worden. Die ersten Grabungen verliefen ereignislos, und manchmal war es ziemlich nervig, weil der Regen nicht einfach aufhörte und Charlie graben ließ. Aber je weiter westwärts sie vordrangen, umso interessanter wurden die Grabungen, weil immer mehr Schatzsucher auftauchten und sie Warnschüsse abgeben mussten.
Je mehr Löcher Charlie grub, umso mehr häuften sich die Warnschüsse. Schließlich prasselten die Kugeln gegen die Seite des Lasters und prallten vom Bagger ab, und seine eigenen Leute mussten sich mitunter mit ziemlich heftigem Gegenfeuer wehren. Da es immer gefährlicher wurde, entschloss Charlie sich, nur noch nachts zu graben, im Schein einiger Baustellenscheinwerfer. Allerdings hätte sie das beinahe das Leben gekostet, weil sie in der ersten Nacht im grellen Lichtschein der eigenen Lampen großartige Ziele abgaben und im Dunkeln nicht erkennen konnten, von wo die Angreifer kamen und wer es überhaupt war.
Trotzdem grub er weiter, und sie bewegten sich stetig die Küste entlang. Seine Leibwächter gingen in Deckung und feuerten zurück. Die wachsende Zahl von rivalisierenden Gruppen bestärkte Charlie nur in seiner Meinung, dass es das vergrabene Geld wirklich gab. Er war fest davon überzeugt, dass es existierte. Er war sich ganz sicher. Und wie die meisten Schatzsucher, die er aus Filmen oder Büchern kannte, war er inzwischen der Meinung, dass er entweder fand, was er suchte, oder beim Versuch ums Leben kam.
24
Der Regen fiel den ganzen Tag über. In der Wohnwagenburg war nicht viel los, bis auf gelegentliche Gänge von einem Trailer zum Vorratswagen, um etwas zu essen oder zu trinken zu holen. Ab und zu durchbrach das Schreien des Babys den Regen. Zumeist kümmerte Ava sich um das Kind. Sie war die Älteste unter den Frauen, ihre Hände und ihr Gesicht waren faltig, aber sie erledigte alles ohne Umschweife, aufrecht und eifrig, wie ein Kind im Erziehungscamp. Sie wusste, wo die Flaschen zu finden waren, die Säuglingsmilch und die Windeln, denn sie hatte Aggie geholfen, alles zu verstauen. Sie ging ständig raus in den Regen, kümmerte sich um die Sachen, die das Baby brauchte, brachte Brisco etwas zu trinken, half, Dosen zu öffnen und Äpfel zu schneiden, wenn die anderen Hunger bekamen. Sie hatte zu Aggie gehört, und nun, nachdem es eine Frage von Leben und Tod gewesen war, gehörte sie zu ihnen. Sie trug weite Männerjeans mit hochgekrempelten Hosenbeinen, zwei Sweatshirts und ein ausgeblichenes Kopftuch. Das lange, grauschwarze Haar fiel ihr auf den Rücken.
Tagsüber, wenn Ava zwischen den Wohnwagen umherging, rief Aggie nach ihr, aber sie nahm ihn nicht zur Kenntnis. Einmal rief sie ihm sogar zu, er solle den Mund halten.
Gegen Abend ließ der Regen nach, und Cohen zündete zusammen mit Evan ein Feuer an. Die anderen kamen heraus, streckten sich und reichten das Baby untereinander weiter. Eine Frau namens Nadine war die Erste, die Lornas Grab bemerkte, und sie ging hinüber. Blieb davor stehen und
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