Nach dem Sturm: Roman (German Edition)
über den Kopf und ließ es auf den Boden fallen. Zog sich das Baumwollhemd wieder an. Zog sich ihre Jacke wieder an. Er ist kein Traum, dachte sie. Er ist keine Geschichte. Egal, wie sehr du das auch möchtest. Sie stand da und fragte sich, ob er vielleicht dort draußen vor der Tür stand. Vielleicht kam er ja zurück. Vielleicht dauerte es nur eine Weile, und dann klopfte es.
Sie wartete, aber es geschah nichts. Du kannst ihn nicht verzaubern, dachte sie. Nicht hier unten. Du kannst niemanden verzaubern, und du kannst die Toten nicht zum Leben erwecken.
26
Cohen wechselte seinen Verband, zog seine Jacke an, steckte die Pistolen in die Taschen, klemmte sich den Schuhkarton unter den Arm, ging raus und stellte fest, dass alle zur Abfahrt bereit waren. Evan hatte seine Schrotflinte in der Hand und reichte sie ihm. Sie standen in der Mitte der Wagenburg um das niedergebrannte Feuer. Es regnete, und der Wind blies gleichmäßig. Draußen über dem Golf hingen tiefgraue, Furcht erregende Wolken am Himmel.
Er trat zu ihnen, und sie sagten ihm, dass sie sich auf ein paar Regeln geeinigt hätten: Egal, in welches Fahrzeug man steigt, es gehört dir und den anderen, die darin sitzen. An der Linie werden das Baby und Kris zu einem Arzt gebracht. Danach ist niemand den anderen etwas schuldig. Cohen nickte.
»Ja, aber was ist dann, wenn wir da oben angekommen sind?«, fragte Kris.
»Darüber haben wir doch gerade gesprochen«, sagte Cohen.
»Nicht ganz. Ich meine, gehören wir noch zu den Lebenden, oder sind wir schon abgeschrieben?«
»Das werden wir dann herausfinden«, sagte Nadine. »Vielleicht gibt es ja ein paar Wiederauferstehungen.«
Sie schauten sich ein letztes Mal um und nahmen den Ort in Augenschein, an dem sie Wochen, manche Monate und einige sogar fast zwei Jahre verbracht hatten. Der Regen fiel auf die düstere, leblose Szenerie. Die Leichen von Aggie und Ava lagen hinter einem der Trailer. Dies war jetzt ein Ort für ruhelose Geister, ein Friedhof.
Sie luden Mülltüten mit Kleidern und ihren anderen Habseligkeiten auf die Pick-ups. Kris hielt das Baby, das jetzt am Fläschchen nuckelte. Ein kurzer Hoffnungsschimmer erschien auf ihren Gesichtern, als sie darüber nachdachten, was wohl als Nächstes auf sie zukam. Cohen stand hinter dem Pick-up, der mit den Vorräten beladen war, um zu prüfen, ob er irgendwas vergessen hatte. Evan stellte die Benzinkanister auf die Ladefläche, aber Kris und Nadine näherten sich den Pick-ups, und Mariposa folgte ihnen. Kris übergab Cohen das Baby, und sie nahmen die Benzinkanister heraus. Er fragte, was zum Teufel sie da taten.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Nadine.
Zu dritt gingen sie von einem Wohnwagen zum nächsten, machten die Türen auf, gingen hinein und gossen Benzin auf die Betten und auf den Boden. Dann kamen sie heraus und gingen an den Seilen entlang, mit denen die Trailer im Boden verankert waren. Cohen wiegte das Kind, hielt das Fläschchen und schüttelte den Kopf, als er ihnen zusah. Ihm war klar, dass ihre Reise beschwerlicher wurde mit jedem Tropfen, den sie hier vergossen, aber er wusste auch, dass er keinen Einfluss auf ihre Säuberungsaktion hatte. Er sprach mit dem Baby, während die Frauen ihre Arbeit fortsetzten. Sei ein braver Junge, sagte er. Wir haben eine lange Reise vor uns. Hoffentlich geht’s dir gut dabei. Wir werden jemanden finden, der sich um dich kümmert.
Als sie fertig waren, kamen die Frauen mit den Kanistern zurück, und Cohen holte, ohne gefragt zu werden, sein Feuerzeug hervor. Nadine nahm es, und Kris und Mariposa nahmen sich jede Menge Toilettenpapierrollen. Sie rannten über das Gelände, zündeten das Papier an und warfen es nacheinander in alle Wohnwagen. Dann blieben sie in der Mitte der Wagenburg stehen, und nach wenigen Minuten quoll dichter, schwarzer Rauch aus den offenen Türen, und dann waren gelbe Flammen zu sehen, die die Dächer umzüngelten und aus den Fenstern bleckten. Es knackte und zischte und brodelte, während die Flammen gegen den Regen ankämpften. Sie standen da und warteten ab, bis alle Wohnwagen brannten wie riesige Lagerfeuer, und dann verließen sie den Feuerring und gingen zu den Autos. Niemand sagte etwas, als Kris Cohen das Baby abnahm.
Evan startete den einen Pick-up, Nadine den anderen. Cohen startete den Jeep, und Mariposa setzte sich zu ihm. Er hatte ein Stück Zeltplane zurechtgeschnitten und es über dem Jeep befestigt. Jetzt prasselte der Regen darauf. Er sah sie an und sagte:
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