Nach dem Sturm: Roman (German Edition)
niemand, der etwas tun konnte, weil es schon getan worden war. Die Entscheidung, dass sie und das Baby sterben sollten, war bereits gefallen, und es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Er hörte seine eigene Stimme, und das Blut, das durch seine Gedanken floss, war Elisas Blut, und er spürte es an seinen Händen und spürte es an seinen Beinen, und er legte die Hände zusammen und spürte, wie sie ihren Kopf darauf bettete. Er hatte um Hilfe gebettelt, aber es war keine gekommen, und er hatte gespürt, wie ihr Herzschlag schwächer wurde und verschwand, und dann war auch der Herzschlag seines kleinen Mädchens verschwunden.
Er schlug die Hände vors Gesicht, berührte mit den Fingerspitzen seine Wangen, als wollte er sichergehen, dass er wirklich war. Er ließ die Hände dort, schloss die Augen, und der Geist von etwas Neuem, der ihn irgendwann heute ergriffen hatte, wurde unter allem anderen begraben.
Sie saß mit überkreuzten Beinen auf ihrem Sitz, während sie den Highway 90 entlangfuhren. Es war Sommer, die Sonne schien, die Fenster waren heruntergelassen, und sie fuhren nach Ocean Springs. Sie parkten in der Innenstadt und gingen in eine Bar mit Innenhof, tranken Fassbier und aßen Krebsscheren. Irgendwann standen sie auf und gingen in eine andere Bar, tranken noch mehr Bier und aßen gekochte Krabben. Ein weißbärtiger Mann saß in einer Ecke auf einem Stuhl und spielte Gitarre, und der Tag verging. Als sie fertig waren, standen sie auf und gingen wieder los, unter Bäumen, die von Feenhaar überwuchert waren, vorbei an zweistöckigen Häusern, und manchmal winkten sie den Leuten zu, die auf den Balkonen saßen. Sie gingen weiter, schoben und zogen sich gegenseitig voran, lachten über alberne Scherze und blieben ab und zu stehen, um sich zu küssen. Sie umarmten sich und zerrten aneinander und gingen weiter, bis sie zum Strand kamen und es dunkel wurde. Sie ließen ihre Flipflops auf dem Strandweg liegen und liefen auf den weißen Sand hinaus, hielten sich an den Händen und lächelten sich vielsagend an. Eine Mutter rief nach ihren Kindern, packte Handtücher, Plastikeimer und Schaufeln zusammen. Ein paar Mädchen im Teenageralter saßen im Kreis und ließen eine Zigarette herumgehen. Sie liefen weiter, bis sie ganz allein waren, setzten sich in den Sand und sahen zu, wie das letzte Licht des Tages verschwand. Die Sterne erschienen am Himmel, und er legte sich auf den Rücken. Sie bettete ihren Kopf auf seinen Bauch und streckte sich aus. Die Wellen plätscherten träge an den Strand. Irgendwo bellte ein Hund. Elisa summte ein Lied vor sich hin, das er nicht kannte. Er schob seine Hand in die Tasche und zog das Kästchen mit dem Ring heraus. Er streckte die Hand aus, hob ihr Hemd an, schob seine Hand über ihre sonnengebräunte Haut und setzte das Kästchen darauf. Sie hörte auf zu summen, setzte sich auf, schaute ihn an und lächelte. Er erwiderte ihr Lächeln. Sie machte das Kästchen nicht auf, sondern tastete es mit der Hand ab. Dann ließ sie sich wieder auf ihn fallen, und sie wälzten sich durch den Sand, lachten, küssten sich und weinten ein bisschen.
Cohen nahm die Hände vom Gesicht und schlug die Augen auf. Er griff in seine Jacke und zog die Pistole heraus. Sie fühlte sich kalt an in seiner feuchten Hand. Alles fühlte sich kalt und feucht an. Alles war kalt und feucht. Oder kalt und nass. Oder kalt und vollgesogen. Oder kalt und unter Wasser. Oder kalt und nass und kaputt. Oder kalt und nass und zerschmettert oder zerbrochen oder verschwunden. Oder einfach nur verschwunden. Alles war verschwunden. Alles war weg, sogar sein Jeep, dabei war er seine einzige Chance gewesen, wenn er jemals hier raus kam, aber das war jetzt egal, denn er war in Panik verfallen und hatte ihn vergessen. Er musste hin und ihn zurückholen, er wollte unbedingt hingehen und ihn zurückholen, aber die Chance, es bis dorthin zu schaffen und ihn mitzunehmen, standen nicht besonders gut, das sah er ein. Es war sein Jeep, und er musste ihn mit niemandem teilen. Er hatte seine Chance gehabt und hatte sie vergeben, und nun hockte er mit den anderen hier im Nirgendwo, und irgendwo anders war sein Leben, aber er hatte keine Ahnung, wo.
Er hob die Pistole und drückte den Lauf gegen sein Kinn. Hielt den Atem an. Überall um sie herum war Wasser, und überall um sie herum war Wind, und beides schien sie immer mehr zu bedrängen, als wollte die Hölle um sie herum sie einschließen. Falls es einen dunkleren Ort auf dieser
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