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Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Nach dem Sturm: Roman (German Edition)

Titel: Nach dem Sturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Farris Smith
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abgekriegt, oder?«, fragte sie.
    »Nein, hab ich nicht.«
    »Glaubst du, das waren die Männer, die die anderen auf dem Parkplatz umgebracht haben?«
    Cohen nickte.
    »Denkst du, wir haben’s jetzt geschafft?«
    »Das soll man nie denken, Mariposa.«
    Sie rauchte und musste blinzeln. Schien sich daran zu gewöhnen. Sie sah verängstigt aus. Alle schienen verängstigt zu sein, bis auf Brisco. Evan entfernte sich von den anderen, die Hände in den Taschen. Cohen wollte etwas zu ihm sagen, wusste aber nicht, was.
    Mariposas Hand zitterte, als sie die Zigarette zum Mund führte. Ihr Kopf war nass. Sie zitterte wegen der Kälte oder wegen dem, was passiert war, oder beidem. Sie ließ die Zigarette fallen und schaute Cohen an. Sie war kurz davor, in Tränen auszubrechen, und sagte: »Ich hab mir nichts dabei gedacht, als ich ihr Kleid angezogen habe, wirklich.«
    »Ich weiß.«
    »Ich schwör’s«, sagte sie und zitterte jetzt ganz heftig. Cohen trat auf sie zu und umarmte sie. Er wusste nicht, ob sie weinte oder nur zitterte, aber das war ihm egal. Er legte sein Kinn auf ihren Kopf und spürte, wie sie schluchzte, und sah Evan, der ganz allein dastand und in den Sturm starrte, und dann schaute er zu dem Pick-up, in dem die Frauen mit dem Baby saßen. Er hielt Mariposa fest, und ihm kam der Gedanke, dass es Jahre her war, seit er jemanden so gehalten hatte. Er wollte sie loslassen, tat es aber nicht. Er ließ sie weinen, oder was auch immer sie tat, und hielt sie fest, bis sie sich beruhigt hatte. Dann ließ er sie los.
    Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und vom Gesicht.
    »Wir müssen weiter«, sagte er. Sie nickte und zog die Nase hoch.
    Brisco rannte immer noch herum und schoss mit beiden Händen auf Cohen. Peng, peng, peng, rief er bei jedem Schuss. Evan drehte sich um, um nachzuschauen, was er tat, hielt ihn fest und schrie: »Hör endlich auf mit dem Scheiß!«
    Brisco schrie: »Aua.« Und Cohen sagte: »Reg dich nicht auf. Er hat es doch nicht so gemeint.«
    »Lass mich in Ruhe! Der gehört nicht zu dir.«
    »Ich weiß, aber er spielt doch nur.«
    »So soll er aber nicht spielen«, sagte Evan und schob Brisco beiseite. »Ich mein’s ernst, Brisco. Hör auf mit dem Scheiß.«
    »Jesses«, sagte Cohen. »Jetzt beruhig dich. Wir haben schon genug Probleme.«
    »Beruhig du dich doch«, sagte Evan. Dann befahl er Brisco, mitzukommen und in den Pick-up zu steigen. Er nahm den Jungen am Arm und zerrte ihn aus dem Regen.
    Mariposa rief Evan etwas zu, aber Cohen sagte ihr, sie solle ihn gehen lassen. Lass ihn eine Weile in Ruhe.
    »Was hat er denn?«, fragte sie.
    Der Sturm tobte immer heftiger, und es war fast ganz dunkel. Sie mussten irgendwo einen Unterschlupf finden. Cohen strich sich über den Bart, warf einen Blick aufs Wetter und schaute dann Mariposa an: »Was er hat? Nur das Gleiche, was wir alle haben. Komm jetzt.«
    Sie stiegen in die Wagen. Mariposa wischte sich mit der Hand über das Gesicht. Sie bemerkte Cohens angespannten Gesichtsausdruck und fragte, ob alles in Ordnung sei.
    »Ich muss noch mal zurück«, sagte er.
    »Das tust du nicht.«
    »Doch, ganz bestimmt«, sagte er. Du Vollidiot. Es machte ihn fertig, dass er nicht an den Jeep gedacht hatte, als es wichtig war.
    »Du musst nichts zurückholen von da unten. Wir sind fast da.«
    »Wir sind vielleicht fast da.«
    »Wir sind es.«
    »Wenn du es auf der Karte ansiehst, sind wir da. Aber es spielt keine Rolle, wo wir sind und was zwischen hier und da liegt. Ich muss zurück.«
    Sie rückte näher zu ihm und sagte, musst du nicht. Wirklich, du musst nicht.
    »Doch«, beharrte er. »Ich muss.«
    Sie kam noch näher. »Das verstehe ich nicht.«
    Er wand sich auf dem Sitz. »Ich muss zurück. Wegen meinem Jeep.« Er umklammerte das Lenkrad und starrte hinaus in das Unwetter. Sie berührte seinen Arm, zog ein bisschen am Ärmel. Er ließ das Lenkrad los und zog seinen Arm zurück.
    »Du musst nicht zurück, Cohen«, sage sie. »Ich weiß, dass du es willst, aber du musst nicht.« Sie beugte sich zu ihm und küsste ihn auf die Wange, sanft, beinahe unmerklich.
    Cohen bewegte sich nicht. Schaute sie nicht an. Er startete den Motor, fuhr los und sagte, lass mich nachdenken.
    Trotz des Regens und des Winds hatten sie zehn Meilen oder so ziemliches Glück und kamen ein gutes Stück auf dem Highway 49 voran. Nur gelegentlich mussten sie einen umgekippten Baum oder Laternenmast umfahren. Schlingpflanzen krochen über den Asphalt und überwucherten an

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