Nach der Hölle links (German Edition)
überhaupt. »Wieso musst du denn ausziehen? Warum nicht der oder die andere? Und hast du schon eine neue Wohnung?«
»Warum ich? Weil ich schuld bin, wenn du so willst. Und selbst wenn nicht: Wir wohnen dort zu dritt. Nils, Svenja und ich. Nils und Svenja sind beste Freunde. Den Rest kannst du dir ausrechnen. Da ist es logisch und vermutlich auch fair, dass ich gehe.«
»Aber wohin?«, warf Andreas ein. »Hamburg ist nicht gerade dafür bekannt, dass man von heute auf morgen eine neue Wohnung findet. Als Student schon gar nicht.«
Unsicher fragte er sich, ob es an dieser Stelle angebracht war, Sascha sein Sofa anzubieten, bis der etwas Neues gefunden hatte. Er erschauerte bei der Vorstellung, konnte jedoch nicht ausmachen, ob es negative oder positive Empfindungen waren, die über seine Unterarme krabbelten.
Seine Frage erübrigte sich. »Ich ziehe wieder zu Tanja. Sie hat mein Zimmer frei gehalten und bietet mir seit Wochen an, dass ich zurückkommen kann. Der Stress zeichnet sich schon länger ab. Ich schätze, ich bin ein ziemlicher Depp, dass ich mich nicht rechtzeitig um eine neue Bude gekümmert habe.«
»Deine Tante mag ihren Job als rettender Engel, hm?«, fragte Andreas erleichtert, dass ihm die Entscheidung in Sachen Notunterkunft erspart blieb. Allmählich wurde er neugierig. Er hätte zu gern gefragt, was in besagter WG vorgefallen war, dass Sascha Hals über Kopf seine Koffer packte.
»Oh ja. Ohne sie wäre ich verloren. Wenn sie mir nicht mal wieder ihren Wagen geliehen hätte, hätte ich ein echtes Problem«, seufzte Sascha verdrießlich. »Ich kann mein Zeug schließlich nicht im Bus transportieren. Einen Teil haben wir heute Morgen schon nach drüben geschafft. Gleich kommen die Bücher, mein Schreibtisch und andere sperrige Teile.«
»Gleich?«, horchte Andreas auf. Das klang, als wäre ihr Zusammensein sehr knapp bemessen.
Entschuldigend sah Sascha ihn an. »Um halb vier kommt mein Helfer wieder. Dann sollte ich in der Wohnung sein. Sonst könnte er auf die Idee kommen, Nils und Svenja die Meinung zu sagen, falls sie da sind.«
Sascha tat Andreas leid. Ihm war anzusehen, dass Streit und Umzug nicht spurlos an ihm vorbeigingen. Gut, dass wenigstens einer seiner Freunde zu ihm hielt und für ihn in die Bresche springen wollte.
Andreas wollte auch etwas für ihn tun. Er gab seinen inneren Hürden keine Zeit, sich aufzubauen. »Soll ich dich begleiten? Bei Bücherkisten und Möbeln kann man doch nie genug Hände haben.«
Hätte Andreas sich Zeit gelassen, seinen Vorschlag abzuwägen, hätte er davon Abstand genommen. Vordergründig sah er nur, dass Sascha Hilfe brauchte und es zwischen Freunden normal war, sich beizustehen; so wie Sascha es für ihn getan hatte. Die drohenden Komplikationen hatten keine Chance, auf sich aufmerksam zu machen.
»Das würdest du tun? Das wäre … super«, freute Sascha sich. Er strahlte und kostete Andreas die Fassung, sodass er sich schnell wieder seinem Essen zuwandte.
Verdammt noch mal, sie waren Freunde. Er hatte es nicht anders gewollt. Doch angesichts von Saschas festen Lippen ließ sich nicht leicht vergessen, dass er der erste Mann gewesen war, den Andreas geküsst hatte. Traurigerweise war er auch der einzige. War es da ein Wunder, dass es in seinem Rückgrat kribbelte?
Sascha war schon früher ein aufregender Kerl gewesen und hatte über die Jahre an Ausdruck und Symmetrie gewonnen. Nicht länger ein schlaksiger Jugendlicher, sondern ein Mann, der mit sich und seinen Gliedmaßen im Einklang war.
Bevor Andreas etwas Dummes sagte oder tat, vergrub er die Zähne im Burger. Seine Gedanken ließen sich dadurch nicht besänftigen. In der Vergangenheit hatte er oft die Bilder interessanter Männer, die er beim Spazierengehen sah, mit nach Hause ins Bett genommen und einem guten Zweck zugeführt. Er bezweifelte, dass es eine gute Idee war, selbiges mit der Erinnerung an Sascha zu tun, der sich gedankenlos die Mayonnaise vom Finger leckte.
Andreas musste die über ihn herfallenden Visionen mit Gewalt auf Abstand halten. Zu nachdrücklich drängten Bilder ihrer Bettdeckenhöhle und die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich in den Armen gelegen hatten, auf ihn zu. Er war nur einen Schritt davon entfernt, sich an Saschas verspielte Launen zu erinnern, wenn er seinen Körper erkundete, als wäre er sein Eigentum. Er durfte diese Schnappschüsse der Vergangenheit nicht aus ihrem Archiv holen.
Der einzig gangbare Weg war, das Essen schnellstmöglich zu
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