Nach der Hölle links (German Edition)
Namenlose auf.
»Und wie er kann. Ich stehe nicht im Mietvertrag.« Sascha breitete die Arme aus und fügte aufgesetzt hinzu: »Tada!«
Nun war es an Andreas, sich in das Gespräch einzuschalten. »Wieso zum Teufel stehst du nicht im Mietvertrag?«
Er war überrascht, dass Sascha sich auf ein solch unsicheres Unterfangen eingelassen hatte. Er war doch kein Dummkopf. Andreas hätte es nicht ertragen, an einem Ort zu leben, von dem man ihn problemlos vertreiben konnte.
»Keine Ahnung, Nils war zuerst da«, zuckte Sascha die Schultern. »Und ich habe schließlich nicht damit gerechnet, dass unter seiner niedlichen Fassade ein Stinktier steckt.« Noch während er sprach, fasste er sich an den Kopf und trat einen Schritt beiseite. »Ach so. Sorry. Ihr kennt euch ja gar nicht.« Er deutete auf den jungen Mann am Boden. »Brain, Andreas. Andreas, Brain.«
Die neuen Bekannten musterten sich überrascht, während Sascha ins Zimmer trat und Brain den Inbusschlüssel aus der Hand nahm, um der störrischen Schraube zu Leibe zu rücken. Andreas erinnerte sich gut an Brain – oder vielmehr an die Erzählungen von ihm.
Sascha hatte mit ihm Abitur gemacht. Allerdings hatte er Brain als farbenfrohen Punk mit Irokesenschnitt beschrieben; nicht als Goth mit Kajal um die Augen und glänzenden schwarzen Haaren. Unübersehbar hatte der Zahn der Zeit Veränderungen bewirkt. Bei Sascha, bei Brain und natürlich bei ihm selbst.
Sein Name schien Brain ebenfalls etwas zu sagen, denn er sprang auf und kam ihm entgegen. Nachdem sie einen Handschlag ausgetauscht hatten, stieß er Andreas grinsend mit dem Zeigefinger in die Brust. »Andreas, der Mysteriöse. Ich hätte nicht gedacht, dass ich dich mal zu Gesicht bekomme. Wir dachten früher, es gibt dich gar nicht und du bist nur eine faule Ausrede, damit Sascha um die Klassenpartys herum kommt. Cool, dich zu sehen, Mann.«
»Das letzte Mal, als ich nachgeschaut habe, war ich ziemlich real«, gab Andreas zaghaft lächelnd zurück.
Eine Hand, die viel zu groß für Brains schmächtigen Körper schien, landete auf seiner Schulter. »Das wirst du unter Beweis stellen müssen. Auf der nächsten Kneipenrunde heben wir einen zusammen, okay?«
»Eh … gern«, stammelte Andreas, weil es keine Alternative gab, die nicht rüde geklungen oder nach einer Erklärung verlangt hätte.
»Genau. Verführ ihn ruhig zum Saufen. Als hätten wir keine anderen Sorgen«, warf Sascha gallig ein und deutete vielsagend auf das Chaos, das sie umgab.
Andreas war Brain unendlich dankbar für den netten Empfang. Auch darüber hinaus fand er ihn sympathisch. Vielleicht, weil Brain offensichtlich wusste, wer er war und trotzdem freundlich auf ihn zukam. Oder, weil er ein Freak war und Andreas sich selbst als solchen verstand.
Nervös war Andreas trotzdem. Unwillkürlich fragte er sich, was Sascha Brain von ihm erzählt hatte; damals und heute. Brain schien sich jedenfalls nicht zu wundern, dass er wie ein Schatten der Vergangenheit plötzlich auftauchte, um Umzugskisten zu schleppen.
Um seine Unruhe zu überspielen, rieb Andreas sich geschäftig die Hände. »Dann wollen wir mal, oder?«
Er baute darauf, dass während der Arbeit nicht von ihm erwartet wurde, gesprächig zu sein. Dabei gab es tausend Fragen, die er Sascha gern gestellt hätte. Die Geschichte um den Auszug aus der WG klang eigenartig, und er kannte seinen Ex-Freund gut genug, um zu wissen, dass mehr dahinter steckte als ein Zwist unter Mitbewohnern.
»Ja, fassen wir an«, nickte Sascha zustimmend und warf Andreas über Brains Rücken hinweg einen schwer zu entschlüsselnden Blick zu.
Mit Feuereifer machten sie sich an die Arbeit. Andreas übernahm es stillschweigend, zerlegte Möbel vor das Haus zu schaffen und platzsparend im Auto zu stapeln. Dadurch kam er an die frische Luft und war nicht gezwungen, permanent in der Wohnung zu bleiben. Zwischen den einzelnen Wegen bekam er hin und wieder einzelne Gesprächsbrocken mit.
»Ihr habt heute Morgen ja schon eine Menge geschafft«, meinte Brain, als Andreas den dritten oder vierten Gang hinter sich gebracht hatte. Er sprach undeutlich dank zweier Schrauben, die er zwischen den Lippen hielt. Zwischen den zahlreichen Piercings fielen sie kaum auf. »War Isa da?«
»Ja. Isa, Vladimir und Markus. Mareike wollte auch kommen, aber sie konnte sich nicht freimachen«, antwortete Sascha, der mit dem Schreibtisch kämpfte. Der Akkuschrauber in seiner Hand summte. Es polterte, als eine der festgefressenen
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