Nach der Hölle links (German Edition)
gedauert, bis er seine Entscheidung bereute, drei Tage, bis er sich in Grund und Boden schämte und auf den Tag eine Woche, bis er seinen Fehler korrigieren wollte. Viel Mut war erforderlich gewesen, um sich aufzuraffen und zu Andreas zu gehen. Sascha hatte sich genauestens überlegt, was er sagen und tun würde, wenn sie sich erst gegenüberstanden. Auf jeden Fall musste er sich entschuldigen, aber auch erklären, regeln, beichten, reden, trösten und Andreas sagen, was er ihm nie gesagt hatte, weil es nie nötig gewesen war. Dass er sich Hals über Kopf in ihn verliebt hatte – mit all seinen Fehlern und Problemen. Und danach wollte Sascha ihn nur noch fühlen, schmecken, riechen.
Tanja war von seinem Vorhaben nicht begeistert gewesen. Sie hatte es als genauso überstürzt bezeichnet wie die Trennung zuvor. Er solle sich Zeit nehmen und es sich durch den Kopf gehen lassen. Wie er sich das vorstelle für den Fall, dass er wieder kalte Füße bekäme? Ob er Andreas, der wahrlich kein Versuchskaninchen war, denn noch eine Trennung zumuten wolle? Vielleicht könnten sie erst einmal Freunde sein und sehen, wohin der Wind sie trug. Grenzen ziehen, es langsam angehen lassen. Ohne Verpflichtungen. Und vielleicht auch erst nach dem Abitur?
Sascha verzog mürrisch das Gesicht. Natürlich hatte er nicht auf Tanja gehört, auch wenn er heute glaubte, dass seine Tante recht gehabt hatte. Aber er sollte nie erfahren, wie sein Ex-Freund auf ihn reagierte oder ob sie noch eine Chance hatten.
Er traf Andreas nicht mehr an. Zwei Mal ging er zu den von Winterfelds und klingelte. Niemand öffnete. Er versuchte Andreas online zu erreichen und rief sogar an, traf aber stets nur auf den Anrufbeantworter oder auf jemanden, der den Hörer auflegte, sobald er seinen Namen nannte. Bei seinem dritten Besuch hatte er endlich Erfolg. Die Tür öffnete sich, und er stand einer dürren Frau mit grau melierten Haaren und Überbiss gegenüber. Sie war unfreundlich und kalt gewesen, hatte ihn nicht hereingelassen und keinerlei Erklärungen abgegeben.
Sascha dachte sich seinen Teil. Andreas hatte dafür gesorgt, dass man ihn nicht einließ. Doch er gab nicht auf. Immer wieder versuchte er sein Glück, hoffte sogar, auf die Eltern seines Ex-Freundes zu treffen. Vielleicht konnte er sie davon überzeugen, wie wichtig es war, dass er mit ihrem Sohn sprach. Insbesondere baute er darauf, auf Ivana zu stoßen, die sie stets unterstützt hatte. Aber die freundliche Haushälterin stand nicht mehr im Dienst der von Winterfelds. Das erfuhr er, nachdem er zum zweiten Mal mit Engelszungen auf den neuen Türdrachen eingeredet hatte.
Für einen Moment sah er so etwas wie Menschlichkeit in den Augen der Fremden, bevor sie verschwörerisch raunte: »Im Gegensatz zu meiner Vorgängerin bin ich nicht so dumm, über Dinge zu reden, die mir verboten sind. Ich brauche diese Arbeit und kann sie nicht aufs Spiel setzen, indem ich mich über die Anweisungen der von Winterfelds hinwegsetze.«
Damit sah Sascha seine Befürchtung bestätigt, dass etwas Gravierendes vorgefallen war. Die treue Seele Ivana hatte ihren Job verloren. Warum? Weil sie den Mund aufgemacht hatte. Aus welchem Grund sollte sie das tun? Weil etwas mit Andreas nicht in Ordnung war. Eine andere Erklärung gab es nicht. Nie hätte Ivana ihre Stelle für etwas Belangloses in die Waagschale geworfen.
In den folgenden Wochen versuchte Sascha, etwas Näheres herauszufinden. Einmal schaffte er es sogar, Margarete von Winterfeld abzufangen, aber er stieß auf eine Wand aus Schweigen. Sie ignorierte ihn vollkommen und sah durch ihn hindurch, als er sie ansprach. Doch ihre Augen schimmerten feucht und verrieten, dass sie seine dringliche Frage nach Andreas gehört hatte. Es war offensichtlich, dass sie nichts sagen wollte .
Ab dieser unheimlichen Begegnung hatte Sascha nachts Albträume. Die Last seines Gewissens drückte ihn zu Boden. Was, wenn Andreas sich etwas angetan hatte? Sascha ging sogar so weit, akribisch die Tageszeitungen der vergangenen Monate zu prüfen, ob sich darin eine Todesanzeige fand. Dabei bezweifelte er heimlich, dass die von Winterfelds das Ableben ihres Sohns in die Öffentlichkeit tragen würden.
Als nichts mehr half, schlich er sich nachts auf das Grundstück der Nachbarn und warf von unten Steinchen gegen Andreas’ Zimmerfenster. Er wurde vom wütenden Hausherrn erwischt. Es kam zum Eklat, und seitdem gab es die Überwachungskameras rund um die Villa. Alles nur, um die Welt im
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