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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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baute darauf, dass seine Füße wussten, was sie taten.
    Der Schmerz war intensiver, als er sein sollte. Er bog seine Rippen nach außen und ließ sein Innerstes ungeschützt zurück. Hatte Andreas das gemeint, als er davon sprach, zu seinem eigenen Wohl seziert zu werden?
    Es war vorbei, und zwar nicht erst seit gestern. Sascha wurde kalt. Er musste sich lösen. Bisher hatte er eine gute Ausrede gehabt, warum er innerlich an Andreas festhielt. Doch nun gab es keinen Grund mehr, sich Sorgen zu machen. Andreas ging es den Umständen entsprechend gut. Er arbeitete an sich und hatte sich verändert. Er ließ seinen Ärger aufsteigen, statt ihn in sich zu vergraben. Duckte sich nicht mehr, verteidigte und wehrte sich, klagte an. Andreas war erwachsen geworden.
    Sascha war beeindruckt und kreuzunglücklich zugleich. Über Umwege fand er seinen Weg nach Hause. Alles erschien ihm fremd und fern. Das Graffiti an der Seitenwand eines Supermarktes wirkte irreal, die Absperrung am Bürgersteig, wo eine Wasserleitung repariert wurde, ebenso.
    Wie spät es war, erfuhr er, als er an einer Apotheke und deren leuchtender Digital-Anzeige vorbeikam. 22 Grad. 14 Uhr 58. Für Sascha fühlte es sich an wie Eiszeit und fünf Minuten vor dem Weltuntergang.
    Zu Hause angekommen erinnerte er sich, dass Svenja an diesem Wochenende bei ihren Eltern war. Kümmerte es ihn? Ja. Er wollte nicht mit Nils allein sein, den er in dessen Zimmer rumoren hören konnte. Unbehaglich schlich Sascha in seine eigenen vier Wände und schloss hinter sich ab. Selbst die vertrauten Konturen seiner Möbel schienen ihm heute fremd und merkwürdig irrelevant.
    Andreas. Leidenschaftlich. Reif. Einsam. Wunderschön in seiner Wut. Und sehr weit weg. Ging es ihm besser, nachdem er Sascha seine Enttäuschung an den Kopf geworfen hatte? War er dankbar, wieder allein zu sein und lebte das, was er Sascha hatte deutlich machen wollen: dass es vorbei war und es zwischen ihnen keine Verbindung mehr gab?
    Sascha ließ sich aufs Bett fallen. Seine Stirn stieß gegen die Kopfplatte, doch es kümmerte ihn nicht. Der Druck des glatten Holzes auf seiner Haut erdete ihn. Eine Zeit lang war er das Einzige, was er fühlen konnte. In ihm war alles taub.
    Nur sehr langsam, nachdem ein, zwei oder mehr Stunden vergangen waren, spürte er ein Simmern in der Kehle aufsteigen. Auch, wenn ihm die Tatsache, dass Andreas ihm keinen Glauben geschenkt hatte, als zentnerschwere Last auf der Brust ruhte, kam er zu einem anderen Schluss als sein Ex-Freund.
    Nichts war vorbei. Nichts hatte sich geändert. Andreas war immer noch Andreas, auf seine Weise mehr als je zuvor. Und Sascha wollte ihn. Nicht aus dem Gefühl heraus, ihm etwas schuldig zu sein oder sich etwas beweisen zu müssen. Er wollte ihn, weil er erkannt hatte, dass zwischen ihnen ein besonderes Feuer brannte, das es verdiente, gehegt zu werden.
    Entschlossenheit vertrieb Trauer und Verwirrung aus Saschas Gesicht. Sein Kopf sackte aufs Kissen. Er umfasste den Stoff mit den Fäusten und knüllte ihn fest zusammen. Sie schrieben diese Geschichte zu zweit, und solange er keinen Schlussstrich gezogen hatte, war sie nicht beendet.

Kapitel 14
    Wäre die Realität ein Comic, hätte sich längst eine Furche rund um die Kücheninsel gegraben. Eine Furche, die tief genug war, um darin zu verschwinden.
    Andreas zog Kreise. Wie ein aufgezogenes Spielzeugauto kurvte er durch die Küche und suchte ein Ventil für die Energien, die Saschas Besuch in ihm freigesetzt hatte. Da war so viel Wut in ihm, Hass, den er in der Vergangenheit empfunden hatte und dessen schiere Gewalt ihn eiskalt überrascht hatte. Ihn und Sascha.
    Verdammt noch mal, was hatte dieser Dreckskerl sich dabei gedacht? Sich zu betrinken, bei ihm aufzutauchen, nur um abzustürzen und ihn zwischendurch noch zu küssen? Ihm Schwachsinn ins Ohr zu faseln, und anschließend die ganze Nacht lang so unerträglich anwesend zu sein? Hatte der Idiot die geringste Ahnung, was er Andreas angetan hatte, während er auf der Couch lag und schnarchte, als wolle er die Apokalypse einleiten? War ihm bewusst, dass Andreas die ganze Nacht wach gelegen hatte?
    Die Vergangenheit war über ihn gekommen wie der Wundschmerz alter Narben. Sein Unterbewusstsein hatte zurückkehren wollen. Es hatte sich im Schmerz gesuhlt; in den wohl bittersten Tagen seines Lebens, als ihm dämmerte, dass sein Dasein in eine Sackgasse geschleudert war und er keine Zukunft besaß, die diesen Namen verdiente.
    Der stachlige Ball

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