Nach dir die Sintflut
die Arbeit gemacht, als sie den Kopf hob und entdeckte, dass David Sharpen immer noch in ihrer kleinen Labornische stand. Sein Ellenbogen stieß gegen die Mikrowelle.
»Möchten Sie nach der Arbeit etwas trinken gehen?«, fragte er.
Rebecca ließ die Blutprobe sinken. Sie war sehr überrascht - weniger über David Sharpens Einladung als über die Erkenntnis, dass es ihr in der Tat möglich wäre, mit diesem Mann nach der Arbeit etwas trinken zu gehen. Nichts hielte sie davon ab, woraus Rebecca schloss, dass irgendetwas sie bislang davon abgehalten haben musste.
Rebecca überlegte kurz und begriff, dass dieses irgendetwas Stewart war. Ihn nicht mehr zu vermissen bedeutete, nicht mehr an ihn zu denken. Sie hatte ihn nicht länger im Kopf, wenn sie tagtäglich ihre vielen kleinen Entscheidungen traf. Die Erkenntnis, dass sie unbewusst jahrelang an ihn gedacht hatte, machte sie traurig - aber die Entdeckung, es von nun an nicht mehr tun zu müssen, erfüllte sie mit großer Freude.
Diese Gedanken kamen Rebecca schnell und nacheinander, während sie auf den grauen Teppichboden starrte. Am äußersten Rand ihres Sichtfeldes stand David Sharpens rechter Schuh. Schwarzes Leder, modische Form, auf Hochglanz poliert. Rebecca ließ ihren Blick aufwärts wandern, bis sie ihm in die Augen sah.
»Ja«, sagte sie, »sehr gern.«
Die widersprüchlichen Gefühle in Rebeccas Antwort verrieten David Sharpen, dass sie sich gerade von Liebeskummer erholte, und er grinste breit.
Als sie die Augen aufschlug, bemerkte Rebecca, dass die Zimmerdecke in der falschen Farbe gestrichen war. Diese hier war
eierschalenfarben, die Decke, unter der sie seit siebenundzwanzig Monaten aufwachte, war eindeutig weißer. Sie setzte sich rasch auf, aber die Ereignisse des Vorabends fielen ihr erst wieder ein, als sie das eintätowierte, blutende Herz auf seiner linken Schulter sah. Sie fühlte sich glücklich. Sie legte sich wieder hin, zog sich die Decke bis an Kinn und wartete darauf, dass die guten Gefühle nachlassen würden.
Zu ihrer Überraschung hielten sie an. Rebecca war von der baldigen Ankunft von Reue und Schuldgefühlen überzeugt und drehte sich auf die Seite, um den Vorgang zu beschleunigen. Vorsichtig fuhr sie mit den Fingerspitzen über David Sharpens Rücken. Das Wohlgefühl hielt immer noch an. Sie ließ ihre Finger wandern, aber ihr Glück erwies sich als erstaunlich belastbar. Der große Digitalwecker auf dem Nachttisch erinnerte Rebecca daran, dass sie in neunzig Minuten bei der Arbeit sein musste. Sie konnte die Wegstrecke nicht einschätzen, weil sie sich nicht erinnern konnte, in welchem Stadtteil sie sich befand. Sie stieg aus dem Bett und sammelte leise ihre Kleider zusammen. Im Badezimmer drehte sie vorsichtig den Warmwasserhahn auf, bis es tröpfelte. Sie wusch sich, zog sich an und schrieb eine freundliche, warmherzige Nachricht, die sie auf den Küchenstisch legte. Sie bemühte sich um Lautlosigkeit, schlich zur Tür, öffnete sie und ging.
Auf der anderen Seite von David Sharpens Haustür fühlte Rebecca sich immer noch gut. Die positive Stimmung hielt an, als sie ins Auto stieg und losfuhr. Sie hielt an, als Rebecca das Labor erreichte. Sie hielt sogar an, als sie einen unnötigen Ausflug in den sechsten Stock machte, um an David Sharpens Arbeitsplatz vorbeizulaufen und sein Lächeln strahlend zu erwidern.
Als sie nach der Arbeit nach Hause fuhr und sich an den Küchentisch setzte, fühlte Rebecca sich so wohl wie seit Jahren
nicht mehr. Sie wählte Stewarts Nummer und war selbst überrascht, dass sich beim Ertönen des Klingelzeichens immer noch keine Schuldgefühle, keine Scham und kein Bedauern einstellten.
»Hallo?«, sagte Stewart.
»Arbeitest du an deinem Boot?«
»Ich sitze an der Rezeption. Wir haben Gäste! Zwei, um genau zu sein. Sie sind ein bisschen seltsam. Angeblich Regenmacher. Geht es dir besser?«
»Ehrlich gesagt geht es mir prächtig.«
»Du klingst gut.«
»Vielleicht geht es mir sogar fantastisch.«
»Na ja, vielleicht klingst du ein bisschen komisch.«
»Vielleicht nur, weil es mir so gut geht.«
»Kann sein.«
»Ich habe mich schon lange nicht mehr so gut gefühlt.«
»Das stimmt.«
»Hör mal - ich wollte dich was fragen«, sagte Rebecca. Sie versuchte, beiläufig zu klingen.
»Was?«, fragte Stewart misstrauisch.
»Was hältst du von Neuanfängen?«
»Wie meinst du das?«
»Neuanfänge. Bist du dafür?«
»Die Frage ist zu groß. Ich meine, wer ist nicht für
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