Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nach Norden, Strolch

Nach Norden, Strolch

Titel: Nach Norden, Strolch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
bist, begibst du dich ins Bett.«
    Der Rat war willkommen. Oktober war noch nie in ihrem Leben so müde gewesen. Wie lange war es her, daß sie in ihrem harten, kleinen Bett im Birkenhof geschlafen hatte!
    Er sprach von der Landstraße … von komischen Bewohnern einer Welt, von der sie nichts wußte … von der Wüste Gobi - das sei ein wirkliches Strolchen. Er kannte seltsame Menschen, die in seiner Welt berühmt waren. Hoke, der durch ganz Rußland gestrolcht war, während die Revolution am wildesten wütete, und der während des Krieges in aller Ruhe durch Deutschland spaziert war. Lossy, der Neuengländer, der vierzehn Sprachen sprach, aber seinen eigenen Namen nicht schreiben konnte. Lossy war bettelnd von Kaschmir nach Bukarest gewandert. Dies alles interessierte sie unbeschreiblich, und sie war wütend auf sich selbst, daß sie einnickte. Vielleicht war die Eintönigkeit seiner Stimme gewollt … Sie wachte auf, als sie in seinen Armen halbwegs die Treppe hinaufgetragen wurde. Er stellte sie vor der Tür ihres Zimmers auf die Füße. Eine Minute später klopfte er halblaut an ihre Tür und bat um sein Rasierzeug.
    Er hatte nur die Wahrheit gesprochen, als er gesagt hatte, er hätte Briefe zu schreiben - dieses Schreiben war nur allzulange schon verschoben worden. Einer der Briefe war sogar sehr lang. Seine Feder flog mit erstaunlicher Geschwindigkeit über das Papier. Blatt um Blatt wurde beschrieben und beiseite gelegt. Um zehn Uhr brachte ihm Miss Ellen Kaffee, sah den Haufen beschriebener Blätter und war sichtlich beeindruckt.
    »Am Ende des Grundstücks ist ein Postkasten«, sagte sie und beschrieb, wo er zu finden war, fügte aber hinzu, daß die Post erst am nächsten Vormittag abgeholt würde.
    »Ich werde sie heute nacht noch einwerfen«, sagte er, »ein Postkasten ist ein fabelhafter Safe.«
    Dürfte sie ihm noch irgendeine Erfrischung bringen, ehe er sich schlafen legte? Sie schlug ihm Holunderbeerwein vor, aber Robin sagte schnell, daß er Tee vorzöge. Sie hatte Tee, eine besondere Sorte, die Dr. Evington stets bevorzugt hatte. Es war das erste Mal, daß er ›Kahlköpfchens‹ Namen hörte. - Dieser Titel umgab den alten Mann mit einer Aureole von Würde. Nie wieder dachte Robin an den kleinen Strolch anders als an Dr. Evington.
    Bis elf Uhr waren die drei wichtigsten Briefe fertig, und er ging, Miss Ellen um Briefmarken zu bitten. Er fand sie in der Küche, wo sie irgendeine Arznei anrührte.
    »Soll ich sie einwerfen?« schlug sie vor, nachdem die Briefmarken aus ihrer Tasche geholt worden waren. Aber er wollte nichts davon wissen.
    Es war eine schöne Nacht. Die Sichel des Mondes war noch am Himmel sichtbar und strömte ein unheimliches Zwielicht auf die dunkle, schweigende Welt. Er schritt den Weg hinunter, zog das Tor auf und schlenderte dem Postkasten zu. Der Kasten war an einem Steinpfosten befestigt, der den Eckstein des kleinen Grundstückes bildete. Er ließ die Briefe hineingleiten und ging langsam zurück. Frösche quakten in der Nähe des Teiches, eine eilige Fledermaus flog ihm entgegen, bog ab und verschwand. Ein langsamer Güterzug fuhr nach Süden, und das harte Keuchen der Lokomotive klang durch die Entfernung gedämpft. Die richtige Nacht für die Landstraße, dachte er. Seine Hand lag auf dem Türpfosten. -
    Ein Streifen Silber zuckte durch die Luft … Er duckte sich gerade noch zur rechten Zeit.
    Das Messer blieb in dem Kreuzbalken des Tores stecken - er sah das zweite fliegen und warf sich zurück, während er seine Pistole zog. Das zweite Messer verfehlte das Tor - er hörte, wie es sich in einen Baum grub. Aus der Dunkelheit des gegenüberliegenden Straßengrabens sprang ein dünner Flammenstrahl … einmal, zweimal. Der Knall des Revolvers hallte, seine Pistole spuckte eine Antwort … Ein Schatten erschien aus dem Schatten - Robin warf seine Pistole in die linke Hand und schoß. Der Schatten stolperte und fiel.
    Robin war innerhalb des Tores und lief. Er sah die Tür sich öffnen …
    »Weg von der Tür!« schrie er. Miss Ellen wich zurück.
    Er sprang auf die oberste Stufe im selben Moment, als Oktober den Flur erreichte. Sie fragte nichts, sondern knipste sofort das Licht aus.
    »Was ist denn los?« Miss Ellen zitterte. »Doch nicht die Polizei?«
    »Nein, die Männer, von denen ich Ihnen erzählt habe.« Er war außer Atem, aber er lächelte gezwungen. »Lenny hat seine Messer wieder zurückbekommen. Hat mich wahrscheinlich gesehen, wie ich sie in den Teich warf,

Weitere Kostenlose Bücher