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Nach Santiago - wohin sonst

Nach Santiago - wohin sonst

Titel: Nach Santiago - wohin sonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Lindenthal
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Die Freude darüber läßt Ärger, Müdigkeit und Schmerzen verschwinden, und bestens gelaunt komme ich zum Refugio zurück. Inzwischen sind dort zwei weitere Pilger eingetroffen, es sind zu meiner Überraschung alte Weggefährten, Alex und Eugenia aus Brasilien! Zum letzten Mal haben wir uns in Puente la Reina gesehen, als wir so heftig darüber diskutierten, wer denn als „richtiger“ Pilger bezeichnet werden dürfe. Ich habe nicht erwartet, sie jemals wiederzusehen, hatten sie doch über eine Woche Vorsprung! Aber anscheinend hat Eugenia irgendwann einmal gestreikt — sie hatte ja schon in Puente große Probleme physischer Natur, aber ich vermute, auch mit der Motivation. Jedenfalls haben sie ihren Pilgerstatus neu definiert und sind jetzt mit Mountainbikes unterwegs. Deren Kauf — Räder nebst kompletter Ausrüstung first class — war mit den Kreditkarten der Papas kein Problem. Mit ihren Rädern machen sie auch touristische Abstecher abseits des Pilgerwegs, deshalb sind sie jetzt erst in Burgos. Auch sie sind sicher „echte“ Pilger, auf ihre Art. João, der Dritte im Bunde, ist weiterhin zu Fuß unterwegs, sie haben keine Ahnung, wo er gerade ist und wie es ihm geht. Übrigens, Rahm-Makkaroni sind immer noch ihr Hauptnahrungsmittel. Ich koche mir wieder meine „Pilgerminestrone“ — Päckchensuppe, aufgemotzt mit Knoblauch, Zwiebel, Reis, manchmal etwas Speck, was halt so im Rucksack ist. Vielleicht ist es meine letzte auf dieser Pilgerfahrt?

    Samstag, 8. April — Dienstag, 11. April

Intermezzo II

    Am Vormittag besichtige ich die Stadt, vor allem natürlich die immense Kathedrale. Ich komme mir als Tourist ganz komisch vor. Ich muß gestehen, die kleinen romanischen Kirchen und Kapellen wie Saint Guilhem, Eunate, San Juan de Ortega und manch andere haben einen tieferen Eindruck in mir hinterlassen. Da war mehr Platz für Einkehr, Besinnung und, wenn man will, auch Kraft.
    Zu Mittag geht der Bus nach Vitoria, dort holt mich Miguel mit Ajiz ab. Die Wiedersehensfreude ist auf beiden Seiten riesig. Ajiz hat sich soweit schon recht gut erholt, die Reise zurück nach Montpellier wird er problemlos schaffen. Den Gedanken, mit ihm weiterzugehen, habe ich mir schon lange aus dem Kopf geschlagen, was vorbei ist, ist vorbei.
    Am Palmsonntag bringt uns Miguel mit dem Auto zur französischen Grenze, wofür ich ihm unendlich dankbar bin. In Spanien ist es nämlich unmöglich, mit einem Hund ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen, auch nicht mit Maulkorb. Ich hätte Ajiz entweder in einem Käfig als Frachtgut (!!!) verschicken oder in einem Nachtzug ein gesamtes Schlafwagenabteil für mich alleine mieten müssen! So gesehen ist es ja fast ein „Glück“, daß Ajiz nicht erst später, schon mitten in Spanien, krank geworden ist! Und wenn wir es gemeinsam bis Santiago geschafft hätten, wie hätten wir die 700 Kilometer zur Grenze zurückgelegt? Vielleicht wie die Pilger im Mittelalter — zu Fuß? Das wäre natürlich die authentische Pilgerfahrt geworden.
    Ich muß an eine spanische Volksweisheit denken, deren Wahrheit wieder einmal bestätigt wird: No hay mal que por bien no venga! Es gibt nichts Schlechtes, das nicht auch etwas Gutes in sich birgt...
    In Frankreich gibt es keine Probleme, Hunde zahlen den halben Fahrpreis, besser gesagt ihr Besitzer. Schon am Abend desselben Tages sind wir in Montpellier. Die Fahrt war beeindruckend. Denn mehrmals habe ich Brücken, Straßenstücke und Flüsse wiedererkannt, die ich vor — wie mir scheint — ewigen Zeiten zu Fuß begangen hatte. Ein Wahnsinn, wie schnell das Land an einem vorbeigezogen wird — und zu Fuß habe ich dafür mehrere Wochen benötigt!
    Ich bin offensichtlich wieder zurückgekehrt in die Zeit- und Geschwindigkeitsdimension des 20. Jahrhunderts. Jetzt wird mir erst so richtig bewußt, wie viele Welten mich als Pilger von der heutigen — modernen — Zeit trennen! Sind sie überhaupt miteinander in Einklang zu bringen? Oder geht nur das eine oder das andere?
    Ein riesiger Stein fällt mir vom Herzen! Francine und Jean haben sich angeboten, Ajiz in Pflege zu nehmen, damit ich „meinen Weg zu Ende gehen“ kann! Am Montag sind wir beim Tierarzt, der Ajiz gut kennt und gerne mag. Er bestätigt die Diagnose Piroplasmose und sieht kein Problem darin, wenn ich Ajiz bei Francine lasse. Hiermit möchte ich dir, liebe Francine, öffentlich und damit hochoffiziell den Orden erster Klasse für Freundschaft und Tierliebe verleihen!
    Am Nachmittag

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