Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
Ausmaß und die Folgen der Klimaerwärmung weiterhin umstritten. Umso dramatischer waren die Reaktionen, als Unbekannte im November 2010 mehr als 1000 E-Mails britischer Klimaforscher stahlen und im Internet veröffentlichten. Ein gigantischer Skandal schien sich anzukündigen: »Climategate« wurde die Affäre getauft, in Anlehnung an den Watergate-Skandal, der einst zum Rücktritt von US -Präsident Richard Nixon geführt hatte.
Die mehr als 1000 Climategate-Mails aus 15 Jahren, die frei im Internet zugänglich sind, füllen ausgedruckt fünf dicke Aktenordner. An jeder E-Mail hängt die gesamte vorhergehende Korrespondenz. Damit erlaubt der Schriftverkehr einen einzigartigen Einblick in die Mechanismen, Fronten und Kämpfe in der Klimawissenschaft. Wer die E-Mails von vorn bis hinten durchliest, erkennt, dass von einer weitreichenden Verschwörung keine Rede sein kann. Die Analyse zeigt jedoch, dass sich führende Forscher unter teils heftigen Angriffen von außen in einen erbitterten und folgenschweren Grabenkrieg verstrickt haben, in den auch Politiker, Medien und Umweltverbände hineingezogen wurden.
Die Fronten in der Klimadebatte sind seit Langem verhärtet: Auf der einen Seite steht eine überschaubare Anzahl tonangebender Klimaforscher, auf der anderen eine mächtige Lobby aus Industrieverbänden, deren Ziel es ist, die Gefahren der Erderwärmung zu bagatellisieren. Sie wird insbesondere vom rechten politischen Spektrum der USA , von Verschwörungstheoretikern, aber auch von einigen Querdenkern unter den Wissenschaftlern unterstützt. Doch damit sind die Rollen keineswegs eindeutig verteilt. Die Mehrheit der Klimaforscher steht zwischen beiden Parteien. Sie tut sich nicht selten schwer, ihre Ergebnisse eindeutig zu interpretieren – wissenschaftliche Fakten sind oft widersprüchlich. Zwar gilt die Prognose einer bevorstehenden Erwärmung als gut belegt. Doch über die Folgen bestehen weiterhin erhebliche Unsicherheiten.
Beide Seiten – die führenden Klimaforscher und ihre Kontrahenten aus Industrie und kleineren Kritikerzirkeln – kämpften von Anfang an mit harten Bandagen. Es begann 1986, als deutsche Physiker einen ersten dramatischen Appell an die Öffentlichkeit richteten: Sie warnten vor einer »Klimakatastrophe«. Ihr erklärtes Ziel war es, der Atomkraft gegenüber Kohlendioxid ausstoßenden Kohlekraftwerken Vorschub zu leisten. Bereits damals gab es freilich solide wissenschaftliche Hinweise auf eine bedrohliche Klimaerwärmung, weshalb die Vereinten Nationen 1988 ihren Klimarat gründeten, den Intergovernmental Panel on Climate Change ( IPCC ). Doch erst eine außergewöhnliche Dürre im Sommer 1988 machte das Thema auch in den USA populär. Politiker nutzten die Trockenphase zur Anhörung des NASA -Wissenschaftlers James Hansen im US -Kongress, der in Fachzeitschriften bereits seit Jahren vor einem menschengemachten Klimawandel warnte. Als Hansen von der Regierung angewiesen wurde, Unsicherheiten seiner These stärker hervorzuheben, inszenierte der damalige Senator und spätere US -Vizepräsident Al Gore einen Skandal: Er informierte Medien über die angeblichen Verschleierungsversuche der Regierung – woraufhin diese sich zum Handeln gezwungen sah. Die Erdölkonzerne reagierten alarmiert. Zusammen mit Firmen anderer Branchen, die die Verteuerung fossiler Energieträger fürchteten, schmiedeten sie Bündnisse. Dafür konnten sie auch einige scharfsinnige Klimaforscher wie etwa Patrick Michaels von der Universität von Virginia gewinnen.
Das Ziel der Industrielobby war es, Unsicherheiten der Forschungsergebnisse auszuschlachten. Mit Millionenbeträgen finanzierte die Klimaskeptiker-Lobby Propagandakampagnen. 1991 wandte sich das Information Council on the Environment ( ICE ) an »weniger gebildete Menschen«, wie es in einem Strategiepapier hieß: Eine Kampagne sollte demnach »die globale Erwärmung als realitätsfern erscheinen lassen«. »Der Sieg wird erreicht sein«, heißt es in einem Strategiepapier der Erdöl-Lobbygruppe Global Climate Science Team, »wenn der Durchschnittsbürger die Unsicherheiten der Klimaforschung erkennt.« Doch auch die gebildeten Schichten sollten angesprochen werden. Die Global Climate Coalition etwa – eine Gründung von Energiefirmen – nahm gezielt Einfluss auf UNO -Delegierte. Auch vor dem US-Kongress wurde dem Rat der skeptischen Wissenschaftler erhebliche Bedeutung beigemessen.
Eine fatale Dynamik kam in Gang: Klimaforscher, die Zweifel an
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