Nachhilfe in Erster Liebe
aber einsilbig bin ich trotzdem noch. Und versuche meistens, aufs Lehrbuch oder Heft zu starren statt in Jans Gesicht, um einen bei mir leider jederzeit möglichen unkontrollierten Durchblutungsschub zu vermeiden. Klingt zwar toll, wenn man’s spricht mit den vier »u«: »Durch-blutungs-schub« – ist aber nicht toll. Haha, und mir fällt grad was auf: das Wort hat 4 u, »4u« heißt die englische Abkürzung für »for you«. Oh ja: for you, sweet Jan, würde ich so einiges tun. Aber rot werde ich leider nur wegen you, also »because of you«. Gibt’s nicht auch ein Lied, das so heißt? Ich glaube aber nicht, dass es da um das pubertäre Problem einer spontanen Tomatenimitation geht.
»Because of you?« Jans verwundert fragende Stimme reißt mich aus meinen Gedanken. Oh Gott, kann er die etwa lesen?
»Was ist ›because of you‹?« frage ich vorsichtig zurück.
»Das frage ich dich . Du hast das grad gesagt.«
Jetzt sage ich lieber gar nichts mehr. Kann ich auch nicht. Sondern starre nur. Denn ich habe einen Durchblutungsschub mit mindestens vierzig »u« statt vier. Warum kann ich nicht Briefmarken sammeln, Fußballbildchen oder von mir aus auch Diddlmäuse, sondern ausgerechnet »peinliche Momente«? Ziemlich große Sammlung für mein Alter. Könnte ich dafür Eintritt verlangen, wär die Bassgitarre längst mein. So aber muss ich bis zu den Sommerferien noch diese peinlichen Nachhilfestunden überstehen. Jan denkt auch gerade an die Nachhilfe. »Ich hab keinen Bedarf für Englisch, okay? Franz ist schlimm genug.«
Wem sagt er das!
Zum Glück beharrt er jetzt nicht mehr darauf, genau wissen zu wollen, was ich mit »because of you« gemeint habe, sondern doch nur, wann man Imparfait und wann man Plus-que-parfait anwendet.
Als er konzentriert Übungssätze aufschreibt, traue ich mich zum ersten Mal wieder, ihn anzusehen. Und dabei auch wieder ein kleines bisschen anzuhimmeln. Warum sieht der Typ bloß so gut aus?
Ganz plötzlich dreht er den Kopf zu mir. Mein Lächeln wird vor Schreck zu einer Grimasse und bestimmt sehe ich wieder total bescheuert aus. Doch Jan lächelt mich diesmal einfach nur nett an. »Bei dir kapiere ich den Unterschied zwischen Imparfait und Plus-que-parfait viel besser als in der Schule.«
Ich kann nichts antworten, weil ich mich schon wieder mal darauf konzentrieren muss, nicht rot zu werden.
»Wieso fällt dir das so leicht?«
Ich zucke die Schultern. »Vielleicht … weil meine Mutter ein Reisebüro hat.« Jan sieht mich immer noch an und scheint darauf zu warten, dass ich mehr sage. »Äh, und weil wir in den Ferien dann immer weg sind … also in Frankreich… oder in anderen Ländern, wo man französisch spricht. Das bringt echt was … vor allem, wenn man merkt, dass die ganze Grammatik nicht nur erfunden wurde, um uns zu quälen …«
Wieso unterbricht mich Jan gar nicht, sondern sieht mich einfach nur weiter an? Das macht mich so nervös, dass ich schon wieder mehr stottere. »Wenn du ’ne Sprache benutzt… also wie französisch… wenn du mit den Leuten redest … also beim Essen … oder am Strand … oder … so, da macht’s echt Spaß …«
Jan hört mir immer noch zu! »Also, äh … ich meine, wir fahren eben immer da hin, nach Frankreich … und bald nach Marseille und im Sommer nach Biarritz … das ist am Atlantik … da gibt’s auch total hohe Wellen.«
Jetzt fällt mir wirklich nichts mehr ein, so verblüfft bin ich über mich, dass ich auf einmal vor Jan so viel geredet habe, und über ihn, dass er so lange zugehört hat.
»Lass mich raten«, grinst Jan jetzt. »Du wirst dort bestimmt Wellenreiten, weil das so ähnlich wie Waveboarden ist.«
An meinen Sturz wollte ich eigentlich nie wieder erinnert werden.
»Tschuldigung.« Ich starre peinlich berührt vor mich hin. Doch dann sehe ich aus den Augenwinkeln, dass Jan abwinkt und breit grinst.
»Sah echt spektakulär aus, wie du an die Stange geknallt und durch die Luft geflogen bist.«
»Auch wenn’s dir gefallen hat, darin gebe ich dir bestimmt keine Nachhilfe.«
»Aber vielleicht ich dir mal im Waveboarden?«
Jan kann unmöglich mich meinen. Aber außer mir ist niemand im Wohnzimmer. Am liebsten würde ich laut »Ja!« schreien und ihm um den Hals fallen. Traue ich mich natürlich nicht. Aber das wäre der Hammer: Jan und ich beim Waveboarden. Ich platze vor Glück und muss das nachher unbedingt Patricia erzählen, denke ich.
Und dann denke ich noch ein Stück weiter und weiß nicht, wie
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