Nachhilfe in Erster Liebe
ich es ihr und allen anderen beibringen soll. Denn von der Nachhilfe wissen sie ja nichts. Und wie sollte Jan sonst auf diese Idee kommen, mit mir Waveboard fahren zu üben? Ich sehe ihn fragend an. »Wie soll das gehen: auch heimlich, wie die Nachhilfe?«
Jan überlegt kurz und nickt dann. »Stimmt, die anderen wissen ja nichts von unserem Deal. Wär echt zu auffällig, du und ich zusammen.«
»Und weil’s so schön war, noch eine kostenlose Runde mit der Gefühlsachterbahn in die Tiefe«, meldet sich eine gehässige Stimme in mir.
Wenn ich zwischendurch irgendeine Hoffnung gehabt haben sollte, dass Jan mich auch nur ansatzweise mögen könnte, hier ist der ultimative Beweis dafür, wie schlimm er
mich findet und wie peinlich es ihm ist, mit mir gesehen zu werden. Nicht nur bei der Nachhilfe, sondern grundsätzlich, überhaupt und immer.
Aus Rache quäle ich Jan jetzt noch mit einer extra schwierigen Französischaufgabe: Verben und ihre unterschiedliche Bedeutung mit »à« oder »de«. Also »essayer de« – versuchen, aber »s’essayer à« – sich an etwas versuchen. Genau wie »être forcé de« – gezwungen sein, aber »forcer à« – jemanden zu etwas zwingen. Und ich zwinge Jan jetzt zu diesen echt üblen Übungen, an denen er sich wirklich mal versuchen kann. Quasi »je le force à s’essayer à ces exercises«.
Bei manchen französischen Verben ist der Unterschied so kompliziert, dass selbst ich nicht alles weiß. Und Jan schon gar nicht. Aber eines weiß er dann doch ganz genau. Dass es ihm für heute reicht mit mir und er gehen will und es ihm dabei völlig egal ist, ob »er beschließt zu gehen«, »il décide de sortir«, oder ob »er sich entschließt zu gehen«, also »il se décide à sortir«, Hauptsache weg.
Ziemlich fertig latscht er aus dem Haus. Da haben wir mal was gemeinsam. Denn ziemlich fertig latsche auch ich in mein Zimmer, schmeiße mich aufs Bett und habe vom Träumen aber endgültig genug.
7 . Kapitel
Genug Geld für meinen E-Bass habe ich aber immer noch nicht. Deshalb ziehe ich die Nachhilfe mit Jan weiter durch. Als wir im Wohnzimmer das nächste Mal gerade seine aktuelle Mathehausaufgabe durchgehen, klingelt es an der Tür. Jan sieht mich alarmiert an. »Hast du jemand eingeladen?«
Hält er mich tatsächlich für so blöd, dass er mir das auch noch zutraut? Wir haben schließlich ausgemacht, dass die Nachhilfe unser Geheimnis bleibt und ich niemandem etwas davon sage. Ich ignoriere Jans kränkende Frage ebenso wie das Klingeln und will einfach weitermachen.
Leider ist das unmöglich, wenn die beste Freundin hartnäckig weiterklingelt und durch das kleine Glasbausteinfenster neben der Tür brüllt: »Ich seh dich eh.«
Manchmal kann auch eine beste Freundin stören. Und ich bereue, dass wir mal ausgemacht haben, uns immer noch auch spontan zu besuchen und nicht alles per SMS oder Chat auszumachen, so wie viele. Ist ja eigentlich auch praktisch, wenn man so nah beieinander wohnt wie wir. Heute ist es allerdings extrem unpraktisch, aber jetzt nicht mehr zu ändern.
Als Patricia Sturm klingelt, rafft Jan seine Unterlagen zusammen
und schnappt sich seine Tasche, und als ich zur Haustür gehe, schleicht er hinter mir gebückt zur Treppe, sodass Patricia ihn auf keinen Fall sehen kann. Dann raunt er mir noch ein »Wimmel sie ab« zu, bevor er die Stufen nach oben flitzt.
»Wimmel sie ab.« Da kennt er Patricia aber schlecht. Ganz schlecht. Denn wenn die sich erst einmal festsetzt, ist sie schlimmer als eine Zecke. Mir muss also irgendetwas richtig Gutes einfallen, um sie schnell loszuwerden.
Als ich öffne und Patricia mich freudig umarmt, ist mir noch gar nichts eingefallen. Patricia stürzt herein und will sofort in mein Zimmer hoch.
»Das geht nicht«, sage ich schnell, weil mir gerade noch rechtzeitig einfällt, dass Jan nach oben geflüchtet ist. Patricia sieht mich irritiert an.
»Ein einziges Schlachtfeld, echt. Ich mache deshalb sogar hier unten Hausaufgaben«, sage ich und zeige auf den Esstisch im Wohnzimmer, wo meine Matheunterlagen liegen.
Dann wird mir schlecht und ich würde gerne mal wieder ohnmächtig werden. Denn unter dem Tisch sehe ich jetzt Jans Waveboard.
Sofort wirble ich Patricia herum, damit sie es nicht sieht. »Aber wegen meiner Hausaufgaben bist du ja bestimmt nicht gekommen.«
»Doch«, sagt Patricia, und mir wird gleich noch schlechter.
»Du hast mir deine Physikhausaufgaben versprochen, weil ich’s nicht blicke. Und morgen ist
Weitere Kostenlose Bücher