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Nachhilfe in Erster Liebe

Nachhilfe in Erster Liebe

Titel: Nachhilfe in Erster Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Massoth
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reagiert sie nicht auf uns.«
    Freundinnen können schlimmer sein als Kirschsaftflecken. Sie gehen einfach nicht weg. Weil sie mich total nerven, gebe ich zu, dass es was mit der Bassgitarre zu tun hat.
    »Meine Mutter hat das irgendwie eingefädelt, dass ich sie vielleicht bis zum Sommer bekommen kann.«
    Ganz wohl fühle ich mich nicht, andererseits lüge ich ja nicht einmal. Wenn ich die Nachhilfe durchziehe, steht dem E-Bass-Kauf im Sommer nichts mehr im Wege. Siri, Marie und Patricia geben sich zufrieden. Sie kennen meine große Leidenschaft fürs Gitarrespielen.
    Sie kennen aber nicht meine große Leidenschaft für Jan. Und sie trauen mir die offenbar auch nicht zu, wenn sie bei meinem dämlichen Dauergrinsen nicht einmal auf die Idee kommen, ich könnte verliebt sein.
    Wobei ich natürlich nicht verliebt bin!
    Höchstens ein bisschen.
    Aber wenn mir nicht einmal meine besten Freundinnen zutrauen, bei mir könnte in Sachen Liebe was passieren, wie nichtssagend muss ich dann erst auf Jan wirken?
    Ich erfahre es in der Pause, als Jan im Schulhof Marie
zuwinkt und Patricia zulächelt, mich, die ich direkt daneben stehe, aber nicht einmal zu sehen scheint. Manchmal in meinem Leben habe ich mir schon gewünscht, unsichtbar zu sein. Jetzt habe ich den Beweis, dass Wünsche tatsächlich in Erfüllung gehen. Nur nie zur richtigen Zeit.
     
    Frustriert öffne ich Jan am Nachmittag die Haustür für die zweite Nachhilfestunde. Heute soll ich gucken, wie weit er in Französisch ist, hat seine Mutter gesagt. »Am besten mit ganz einfachen Sätzen anfangen.« Ich wüsste da einen ganz einfachen Satz: »Je t’aime« – Ich liebe dich. Subjekt – Prädikat – Objekt oder im Französischen vielmehr Subjekt (das bin ich) – Objekt (das ist Jan) – Prädikat (das ist Utopie). Einfacher geht’s eigentlich nicht. Komplizierter aber auch nicht. Denn mein »Objekt« dreht sich draußen schnell noch mal nach allen Seiten um, ob ihn auch wirklich keiner sieht, und hastet dann wie ein Agent in streng geheimer Mission in unseren Flur. Scheint ja wirklich nichts Peinlicheres zu geben, als bei mir gesehen zu werden. Dass jemals mehr aus uns beiden wird, kann ich sofort vergessen, von wegen »je t’aime«.
    Nur gut, dass ich mir heute schon mal den Kleiderhaufen erspart habe. Ich trage meine alten Jeans und einen weißen, schon ein bisschen vergilbten Rollkragenpulli. Mehr hat Jan nicht verdient.
    Aber es ist ziemlich gut, dass ich ausgerechnet diesen dicken Rolli ausgesucht habe, denn während der Nachhilfestunde sind in unserem Wohnzimmer gefühlte minus vierzig Grad, so eisig ist das Klima zwischen Jan und mir. Einsilbiger als
wir zwei kann überhaupt keiner sein, so als wären uns vor lauter Kälte schon die Kiefer eingefroren.
    Komisch, dass man in der Schule immer still sein soll und es nie schafft, aber hier, wo man reden könnte und es in einer Nachhilfestunde auch sollte, vor allem da es noch um ein Sprachenfach geht, kommt so gut wie nichts heraus. Ich stottere rum, weil mich Jan total unsicher macht. Und Jan stottert rum, weil ihn die Französischgrammatik so unsicher macht.
    Wir krampfen uns durch die ganze Stunde, und ich habe danach eigentlich immer noch keine genaue Ahnung, was Jan in Französisch kann und was er noch nicht kapiert. Und ob er’s mit mir überhaupt besser kapiert als in der Schule. Und ich kapiere nicht, was mit mir los ist. Erst fand ich die Idee mit der Nachhilfe unvorstellbar, danach habe ich mich gefreut über die Zeit, die ich mit Jan verbringen kann, und jetzt bin ich sogar noch verkrampfter als beim ersten Mal, weil ich denke, ich bin ihm total unsympathisch, so frostig und abweisend wie er zu mir ist.
     
    Als Jan nach der Stunde geht, bin ich fast erleichtert. Und trotzdem den Tränen nahe, weil ich nicht weiß, wie ich das bis zu den Sommerferien durchhalten soll. Zwei Mal die Woche je eine Stunde. Und das Schlimmste: nicht einmal eine Freundin, mit der man darüber reden kann. Psychofolter für einen E-Bass. Ob der Preis nicht doch zu hoch ist?

6. Kapitel
    D er Preis kann gar nicht hoch genug sein. Inzwischen würde ich sogar auf mein Geld verzichten und Jan kostenlos Nachhilfe geben, wenn ich nicht unbedingt die Bassgitarre haben wollte.
    Jan hat nämlich in den Tagen danach gemerkt, dass ich tatsächlich dichthalte und nichts von der Nachhilfe weitererzähle. Seitdem ist er entspannter. Das entspannt mich wiederum auch. Ich stottere nicht mehr so viel, wenn ich ihm etwas erklären soll,

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