Nachhilfe in Erster Liebe
Physik.«
Stimmt. Hab ich total vergessen.
»Ich geh kurz hoch und bring dir die Sachen. Hol dir doch solange was zu trinken aus der Küche«, sage ich und fühle mich ganz schlau dabei, als ich Patricia in die Küche bugsiere. Als ich hochrase, höre ich sie allerdings doch hinter mir herkommen.
»Ich bin gar nicht durstig. Dein Schlachtfeld interessiert mich viel mehr.«
Extra laut sage ich beim Treppensteigen, dass ich fürchte, die Physikaufgaben bei der Unordnung in meinem Zimmer gar nicht so schnell zu finden. Ich hoffe, Jan versteht die Warnung.
Als ich mit Patricia im Schlepptau vorsichtig mein Zimmer betrete, fällt mir ein Fels in der Größe des ganzen Himalaja vom Herzen: Jan ist nämlich nicht zu sehen.
Dass man sich so freuen kann, wenn man jemanden, den man mag, nicht sieht!
Patricia findet es gar nicht unordentlich und lässt sich sofort auf mein Bett fallen, während ich das Physikheft suche und gleichzeitig überlege, wohin sich Jan geflüchtet haben könnte. Im Geiste sehe ich ihn schon festgefroren an der Dachrinne hängen. Verstohlen schaue ich hinaus. Nichts zu sehen.
Das Wichtigste ist aber erst einmal, Patricia wieder loszuwerden. Denn die ist gerade dabei, es sich richtig gemütlich zu machen und ausgerechnet über Jungs sprechen zu wollen. Warum muss immer mir so was passieren?
»Die Jungs in unserer Klasse sind doch echt alle furchtbar fad«, meint sie, und ganz kurz glaube ich noch, es kann gutgehen.
»Stell dir vor, wir wären in der Parallelklasse, das wäre doch viel aufregender.«
Ich weiß leider, was jetzt kommt.
»Du, ich bring dir das Heft einfach daheim vorbei, wenn ich’s gefunden habe. Ich muss jetzt nämlich dringend zu meiner Oma«, sprudelt es hektisch aus mir heraus, und ich versuche vergeblich, Patricia vom Bett zu zerren. Die hört gar nicht auf mich, sondern schwelgt vor sich hin.
»Sechs Stunden jeden Tag neben Jan sitzen. Mit ihm zusammen in ein Buch gucken, mit ihm zusammen eine Aufgabe machen, das wäre so was von romantisch.«
Okay, das hat Patricia gesagt, aber rot werde trotzdem wieder mal ich. Und muss an den Satz denken, den mein Vater mal als DIN-A4-Kopie heimgebracht hat: »Lächle und sei froh, es könnte schlimmer kommen. Und ich lächelte und war froh, und es kam schlimmer.« Jetzt kapiere ich endlich, was damit gemeint war.
Ich bete insgeheim, dass sich Jan nebenan im Badezimmer versteckt und alles gar nicht gehört hat. Zum Glück habe ich das Physikheft jetzt gefunden, drücke es Patricia in die Hand und wiederhole gereizt, dass ich dringend zu meiner Oma muss.
»Du bist in der Pubertät, Katja, okay, das entschuldigt ziemlich viel, aber weißt du, dass du heute trotzdem irgendwie total seltsam bist?« Patricia fixiert mich argwöhnisch.
»Ich habe nichts, ehrlich. Ich muss nur zu meiner Oma«, wiederhole ich gereizt.
»Ich glaube eher, du kriegst so langsam deine ersten ›Tage‹. Könnte doch jetzt mal passieren, so mit dreizehn?«
Schlimmer geht’s nun wirklich nimmer. Ich bin so verzweifelt, wenn ich daran denke, dass Jan das vielleicht wo auch immer mitangehört haben könnte, dass ich gar nichts mehr sagen, sondern nur mit einem Stöhnen auf mein Bett sinken und meine Hände vors Gesicht schlagen kann, um meine beginnenden Tränen aufzuhalten. Patricia merkt endlich doch, dass sie mich am besten in Ruhe lassen sollte, auch wenn sie nicht weiß, warum.
Sie steht auf und geht zur Tür, damit ich endlich zu meiner Oma gehen kann. Geschafft, atme ich innerlich erleichtert auf. Doch dann steuert Patricia in die falsche Richtung.
»Ich muss nur noch schnell aufs Klo.«
Und ich will am liebsten auf direktem Weg durch die Erdmitte hindurch nach Australien. Ich bin nämlich jetzt überzeugt, dass sich Jan nur noch im Bad versteckt haben kann. Statt nach Australien gehe ich Patricia eilig hinterher und lausche, was passiert, als sie die Tür zum Klo öffnet.
Nichts.
Also immerhin auch kein Jan, atme ich auf, bis mir wieder einfällt, dass er dann auf jeden Fall mitangehört haben muss, was Patricia in meinem Zimmer über ihn und über mich gesagt hat. Ich hoffe jetzt doch, er hängt festgefroren an der Dachrinne.
Patricia kommt wieder heraus, geht mit mir die Treppe hinunter, sieht das Waveboard zum Glück immer noch nicht, weil ich mich direkt vor sie stelle, damit ich es verdecke, wiederholt noch einmal, dass sie mich heute extrem komisch findet, und fragt, ob ich gleich mitkomme zu meiner Oma.
Aber ich kann ihr
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