Nachhilfe in Erster Liebe
ihr sagen, warum ich heute wirklich so lange hier war?« Natürlich will ich das nicht, hält der mich für bescheuert? Gereizt sage ich deswegen: »Kannst ja trotzdem zum Essen bleiben.«
»Willst du ja gar nicht«, gibt er genauso gereizt zurück. »Doch!«, platzt es sofort aus mir heraus. Jan sieht mich wie vorhin schon fragend an. Und ich drehe mich erneut von ihm weg, weil’s offensichtlicher ja kaum geht. »Jetzt weiß er, dass ich was von ihm will, jetzt weiß er bestimmt, dass ich was von ihm will, jetzt weiß er auf jeden Fall, dass ich was von ihm will« rotiert’s in meinem Peinlichkeitszentrum. Mein plötzlich ausgerufenes »Doch!« könnte man selbst mit einer Fünf in Deutsch gar nicht anders interpretieren.
»Davon merk ich nix«, meint Jan stattdessen, und ich kombiniere erstaunt, dass er auf meiner Interpretationsskala dann eine Sechs in Deutsch haben müsste, wenn er das nicht rafft. Aber da gebe ich ihm ganz bestimmt keine Nachhilfe. Je länger er ahnungslos bleibt, was meine Gefühle für ihn angeht, desto besser.
»Ich hab dich vorhin extra angeschaut, weil ich wissen wollte, ob’s dir überhaupt passt, wenn ich bleibe«, erklärt mir
Jan. »Wenn du dann sofort wegguckst, ist ja wohl alles klar. Also sag nicht ›doch‹.«
Ich brauche dringend eine Bedienungsanleitung für Jungs. Oder meine Hirnschmelze hat trotz tiefstem Winter schon eingesetzt: Da will derjenige, den ich am allerliebsten sehe, noch länger bei mir bleiben und mich um meine Meinung fragen, ob ich das auch möchte, und ich hab nichts Besseres zu tun, als wegzugucken und ihm damit zu signalisieren: Du bist mir egal, geh doch!
Aber ich kann ihm jetzt auf keinen Fall die Wahrheit sagen, dass ich nämlich weggeschaut habe, weil mich seine Blicke so unsicher und kribbelig machen. Aber ich kann was anderes sagen, was immerhin ziemlich glaubwürdig klingt:
»Ich hab nur deshalb weggeguckt, weil … ich wollte nicht, dass du glaubst, du musst aus Höflichkeit bleiben. Vielleicht wolltest du ja lieber allein sein, nach heute Nachmittag, wegen Kassiopeia.« Jan nickt still.
Bevor ich ein schlechtes Gewissen bekomme, weil ich ihn jetzt wieder an seine Katze erinnert und traurig gemacht habe, steht meine Mutter im Wohnzimmer. Sie hat ein Büschel Thymian in der Hand und fuchtelt mir damit vor der Nase herum. »Hast du da hinten im Garten rumgewühlt?«
»Nnneeeiiinnn«, lüge ich stotternd und sehe erschrocken zu Jan, der mich noch viel erschrockener ansieht.
»Die Erde ist frisch umgegraben. Das war gestern noch nicht, und du warst heute Nachmittag die einzige, die zu Hause war, Katja.«
Und kopflos wie immer. Da denke ich, ich suche für Jans Katze einen unauffälligen Platz ganz hinten im Garten und
vergesse völlig, dass meine Mutter dort ihre Kräuter hat. Warum kann Thymian im Winter auch nicht einfach erfrieren? Und warum nimmt sie nicht Gewürzdosen wie andere Leute auch? Jedenfalls komme ich aus dieser Nummer nicht raus, weiß ich. Da ist meine Mutter hart wie ein Nussknacker, wenn sie mich mal in der Zange hat.
»Also raus mit der Sprache: welchen Schatz hast du da vergraben?«, scherzt sie mit ihrem süffisanten Grinsen.
Jan und ich wechseln wieder einen ratlosen Blick. Ich werde meiner Mutter auf keinen Fall sagen, dass wir so etwas wie Jans Schatz vergraben haben. Denn das ist das schönste Geheimnis, das wir bisher teilen. Wir haben dabei zusammen geweint und er hat meine Hand gehalten. Niemals werde ich das verraten.
»Ich habe Pflanzen gesäht«, stammle ich stattdessen.
Jan starrt mich genauso irritiert an wie meine Mutter. »Pflanzen sieht man, Schätzchen, du hast höchstens Pflanzen samen gesäht.« Ich bestätige das eifrig. »Und welche?«, lässt mich meine Mutter leider immer noch nicht in Ruhe. Meine Hirnwindungen glühen, und ich kann nur immer an die Katze denken, die wir dort »eingepflanzt« haben.
Und dann geht alles ganz leicht. Von Katze komme ich auf Weidenkätzchen und die blühen an Weiden, und eine Weide ist ein Baum, den man einpflanzen kann. Also sage ich meiner Mutter, dass ich »Weidensamen« eingesetzt habe. Meine Mutter verdreht die Augen. »Kein Wunder, dass du nur eine knappe Drei in Biologie hast. Du kannst mitten im Winter nichts aussähen, und schon gar keinen Baum, den musst du als Setzling in einer Gärtnerei kaufen. Was hast du dir nur dabei gedacht?«
Oh, das würde ich meiner Mutter nicht mal unter Folter erzählen!
Völlig überraschend mischt sich jetzt Jan ein.
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