Nachhilfe in Erster Liebe
nicht.
»Komm«, stößt sie Siri an, »wir holen uns aus der Küche was zu trinken und machen es uns im Wohnzimmer bequem. Irgendwann wird die Wahrheit schon rauskommen.«
Reinkommen wird sie, die Wahrheit, denke ich. Und zwar in Gestalt von Jan. Und dann ist es aus mit meiner Freundschaft zu Patricia und Siri.
Die Wahrheit kommt sogar noch schneller, als ich fürchte, denn jetzt klingelt es schon an der Tür. Angewurzelt bleibe ich stehen. Patricia und Siri sehen mich an, dann sich und schließlich wieder mich. Patricia grinst.
»Willst du nicht aufmachen?«
»Ich erwarte niemand«, zucke ich die Schultern.
»Uns hast du auch nicht erwartet und trotzdem aufgemacht«, kontert mich Siri aus, und diesmal gibt es an der Logik nichts auszusetzen. Zumal es jetzt ein zweites Mal klingelt. Ich bewege mich trotzdem nicht. Es ist, als sei ich gelähmt.
»Gehe ich eben«, sagt Patricia und drängt sich an mir vorbei zur Haustür. Bevor ich es verhindern kann, hat sie geöffnet und steht total verblüfft Jan gegenüber. Jan steht nicht minder verblüfft da.
Dann sieht er mich hinter Patricia stehen und sofort verengen sich seine Augen. Er sieht wieder so böse aus wie heute früh. Mir ist ziemlich klar, was er denkt: Ich habe heute früh nicht nur weitererzählt, dass er geweint hat, sondern auch, dass er bei mir Nachhilfe bekommt. Mir muss jetzt ganz schnell etwas ganz Gutes einfallen, um ihm zu beweisen, dass ich ihn nicht verraten habe.
»Du willst bestimmt zu Katja?«, hat Patricia sich jetzt vom ersten Schock erholt.
»Nein, will er nicht«, antworte ich schnell. Jan sieht mich irritiert an. »Tut mir leid, Jan«, wende ich mich an ihn, »aber mein Bruder ist jetzt doch nicht da.« Jan sieht mich noch irritierter an. »Meine Mutter hat irgendein Computerproblem im Reisebüro, bei dem er ihr auf einmal helfen musste. Keine Ahnung, wann er zurückkommt.«
»Okay«, sagt Jan vorsichtig, und ich fürchte, er hat noch überhaupt keine Ahnung, worum es geht.
»Euer Computerprogramm müsst ihr dann wohl verschieben. «
»Ah ja?«, ist alles, was er dazu sagen kann. In einem Wettbewerb für das irritierteste Gesicht des Jahres würden er, Siri und Patricia in jedem Fall die ersten drei Plätze unter sich ausmachen, so wie sie mich gerade anschauen.
»Am besten, du gehst jetzt wieder. Vielleicht rufst du einfach später mal an?«, schlage ich Jan vor.
Nach einer gefühlten Ewigkeit nickt er endlich. »Ich glaube, am besten ruft er mich an, wenn es besser passt«, sagt er deutlich. Er hat’s kapiert, denke ich und könnte vor Freude hüpfen wie ein Gummiball. Jetzt bloß nicht zu sehr grinsen.
»Mach ich. Also, ich richt’s ihm aus«, kriege ich gerade noch die Kurve. Jan verabschiedet sich mit lässigem Gruß von Patricia und Siri und geht.
Ich bin so gut, triumphiere ich innerlich. Dann drehe ich mich um, frage ganz cool: »Cola, Wasser, Saft?«, und gehe an den scheunentorgroßen Mündern meiner Freundinnen vorbei in die Küche.
Siri und Patricia nippen kurz darauf an ihrem Apfelsaft und sind immer noch verblüfft.
»Wieso entwickelt dein Bruder ausgerechnet zusammen mit Jan ein Computerprogramm? Der ist über drei Jahre jünger! «
»Dafür versteht er viel mehr von Fußball.«
Siri und Patricia verstehen noch gar nichts.
»Joachim ist in dem totalen Wahn, ein Computerspiel erfinden zu wollen«, erkläre ich. »Und weil es darin um Fußball geht und weil Jan ein super Fußballer ist, hat Joachim halt ihn gefragt, ob er ihm dabei hilft. Oder so ähnlich.«
Das klingt zu meinem Glück selbst für Siri einigermaßen einleuchtend. Was ihr weniger einleuchtet: »Warum hast du bisher nie was davon erzählt?« Gute Frage.
Gute Antwort: »Weil du garantiert eifersüchtig geworden wärst. Obwohl es überhaupt nichts mit mir zu tun hat.« Das muss Siri ehrlicherweise zugeben.
»Aber warum war er heute so fertig in der Schule und hat gestern sein Training ausfallen lassen?« Patricia lässt nicht so schnell locker, wenn sie mal an etwas dran ist.
»Sie hatten irgendein Riesencomputerproblem«, fasle ich.
»Ich glaube, das komplette Programm ist abgestürzt und sie müssen ganz von vorn anfangen. Falls es überhaupt noch etwas wird.«
»Das erklärt aber nicht, warum du heute früh so geheimnisvoll getan hast und das nicht erzählen wolltest.«
Ich trinke einen großen Schluck Saft, um Zeit zu gewinnen. Zum Glück habe ich die Halblitergläser genommen, da kann ich lange trinken, bevor ich antworten
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