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Nachhilfe in Erster Liebe

Nachhilfe in Erster Liebe

Titel: Nachhilfe in Erster Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Massoth
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Jan auf keinen Fall. Schon gar nicht nach dem, was er übers schnelle Aufgeben gesagt hat.
    »Ich gebe niemals auf«, motiviere ich mich innerlich mit jedem Versuch, die Hacke ein Stück weiter in den Boden zu rammen, um die Erde aufzulockern. Und wenn ich Blasen an die Finger kriege, einen Hexenschuss im Rücken, erfrorene Zehen und Muskelkater bis zur völligen Lähmung. Dem zeig ich’s!
    Endlich haben wir nach zwei Stunden hacken und schaufeln ein ungefähr fünfzig Zentimeter tiefes Loch gegraben. Und gerade breit genug für den Karton mit Kassiopeia.
    Jan nimmt noch einmal den Deckel vom Karton und schaut sich Kassiopeia an. Ich schaue lieber weg und lasse ihn für sich sein. Als mein Opa starb, hat meine Oma auch noch mal allein mit ihm sein dürfen in der Leichenhalle. Um ungestört von ihm Abschied nehmen zu können.
    Und jetzt weiß ich auch, was noch fehlt. »Wir brauchen Kerzen.«
    Jan, der gerade den Karton in die Erde gleiten lassen wollte,
sieht mich irritiert an. »Wenn schon Beerdigung, dann richtig«, bekräftige ich meine Idee.
    »Willst du vielleicht auch noch Blumen, Musik und einen Pfarrer holen?«, fragt Jan leicht genervt. Doch das ignoriere ich.
    »Lass mich nur machen«, sage ich und renne über den Rasen zurück zum Haus.
    »Wir haben keine Zeit mehr, deine Eltern kommen bald«, ruft mir Jan nach.
    An der Terrassentür drehe ich mich noch mal zu ihm um. »Hast du nicht selbst gesagt: ›nicht aufgeben, wenn einem was wichtig ist‹? Und das ist ja wohl wichtig!«
    Ich lasse Jan mich ungläubig anstarren und verschwinde im Haus.
     
    Kurze Zeit später stehen Jan und ich wieder nebeneinander am Grab. Aber drumherum brennen jetzt fünf Teelichter. Für jedes Lebensjahr von Kassiopeia eins, habe ich gedacht.
    Jan hält den Karton mit ihr in den Händen. Ich halte meine Gitarre in den Händen. Während Jan den Karton ins Grab gleiten lässt, spiele ich »Stairway to heaven«, weil es vom Text her total zu einer Beerdigung passt und weil’s auf der Gitarre auch total Spaß macht zu spielen, obwohl das Lied schon dreißig Jahre alt ist oder noch viel mehr.
    Weil es aber so kalt ist, dass ich kaum mehr ein Gefühl in meinen Fingern habe, greife ich dazwischen auch mal die falschen Saiten. Aber diesmal macht es mir gar nichts aus, weil es eigentlich unwichtig ist, weil es um Kassiopeia geht und weil man das Lied trotzdem noch erkennt, wie Jan versichert.
    Jan legt nun noch eine Plastikblume, die mir mein Bruder mal auf dem Rummel geschossen hat, auf den Karton mit Kassiopeia. Dann muss er wieder weinen. Und ich weine jetzt richtig mit. Es ist irgendwie total feierlich und schön, obwohl’s so traurig ist.
    Danach schaufeln wir das Loch wieder zu, stellen Hacke und Schaufel in den Schuppen, nehmen die Teelichter und die Gitarre und gehen ins Haus zurück. Erst da merke ich, wie fertig ich bin. Und durchgefroren. Jan sieht, wie es mich schüttelt. Er nimmt plötzlich meine Hände, reibt meine kalten Finger, bläst seinen warmen Atem drauf, sodass ich am ganzen Rest meines Körpers Gänsehaut kriege, mir aber trotzdem ganz heiß wird, und hält sie in seinen Händen fest.
    Und ich muss schon wieder weinen. Aber diesmal vor Glück, weil das Gefühl so schön ist, seine Hand zu halten. Gut, dass Jan nur glaubt, es sei wegen seiner Katze.
     
    Als meine Mutter heimkommt, ist wieder alles wie immer. Sie wundert sich nur, dass Jan so spät noch da ist. Jan murmelt erklärend »ich schreib morgen Mathe, wir haben länger gelernt«. Meine Mutter freut sich, »dass es so gut läuft mit euch beiden«.
    Kommt nur darauf an, was man darunter versteht. Es läuft gut, wenn ich Nachhilfelehrerin oder Totengräberin bin, aber es läuft nichts, wenn ich einfach eine Verliebte bin.
    »Bleib doch zum Abendessen«, schlägt meine Mutter Jan fröhlich vor, als sie mit dem Kochen beginnt. Ich denke »bloß nicht!« und gleichzeitig »oh ja bitte!« und merke, dass Jan fragend zu mir hersieht. Weil ich mir aber auf keinen Fall
die Blöße geben und mich irgendwie mit meinem Gefühlschaos verraten will, drehe ich mich von ihm weg.
    »Ich lern lieber noch daheim. Danke«, lehnt Jan ab und packt seine Sachen zusammen. Meine Mutter geht in den Garten, um von ihren Kräutern was fürs Essen zu holen. Ich stehe schweigend da und fühle mich nutzlos. Weil aber auch Jan nichts mehr sagt, habe ich das Gefühl, »dran« zu sein, und überwinde mich: »Du musst doch gar nichts lernen.«
    »Glaubt aber deine Mutter. Oder willst du

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