Nachhilfe in Erster Liebe
reinlassen würden.«
»Dann schmink dich älter, das könnt ihr Mädels doch alle.«
»Und wie soll ich nachts allein vom Konzert heimkommen? «
Jan sieht mich jetzt verächtlich an. »Gibst du immer so schnell auf, selbst wenn dir was angeblich so wichtig ist?«
»Nein!«, protestiere ich heftig. Die Nachhilfe habe ich schließlich auch nicht gleich wieder aufgegeben, obwohl es ein verdammter Krampf war. Aber die Zeit mit Jan ist mir so wichtig, dass ich meine ganzen Stottereien und Peinlichkeiten dafür in Kauf nehme. Was ich ihm natürlich auf keinen Fall als Gegenbeispiel nennen kann.
»Ich will unbedingt zu dem Konzert«, beteuere ich noch mal. »Aber alleine komm ich nachts einfach nicht zurück. Und weil’s meine Eltern sowieso nicht wissen dürfen, können die auch nicht mit. Meine Oma hält so laute Musik nicht aus und hat kein Auto, und mein Bruder würde für mich nie einen Abend opfern, nicht mal ’ne Stunde. Und meine Freundinnen sind selbst zu jung. Abgesehen davon, dass sie keine Ahnung von guter Musik haben.«
Ich schaue Jan an. »Wie gefällt dir die CD?« Er hört noch eine Weile zu, sodass ich echt nervös werde. Endlich antwortet er.
»Bisschen spacig«. Er guckt dabei zwar nicht ganz so komisch wie meine Oma, als ich’s der mal an Weihnachten vorgespielt habe, aber ich schalte die CD jetzt trotzdem aus. Jan protestiert nicht.
Verstanden. Wenn ich nicht einmal damit punkten kann, dann mit gar nichts. Cooler wird’s nämlich nicht mehr bei mir.
In mein Schweigen macht Jan einen Vorschlag: »Eine CD zu hören von einem, den ich nicht kenne, mit Musik, die ich nicht kenne, ist halt nicht so mein Ding. Spiel mir lieber
selbst was von dir vor. Live und unplugged – geiler geht’s doch gar nicht.«
Haha, denke ich, »live und unplugged« mag vielleicht geil sein, aber nicht, wenn es sich um den kleinen, aber entscheidenden Zusatz »Katja – live und unplugged« handelt. Denn vorspielen gehört zu den aller peinlichsten Momenten in meinem Leben. In der Aufführung der Musikschule vor Weihnachten, bei der Oma an Weihnachten, zu Hause an Weihnachten, beim Schulkonzert vor Weihnachten …
Immer habe ich mich irgendwie vergriffen vor Aufregung. Wenn ich jetzt vor Jan spielen soll, werden meine Finger zu dicken tollpatschigen Pinguinflossen mutieren und vor lauter Fehlern wird selbst dann keine Melodie mehr zu erkennen sein, wenn ich’s als Free Jazz verkaufe. Kommt also nicht in Frage.
»Heute nicht«, weiche ich aus. »Wir haben schon so viel Zeit verloren, da sind andere Noten jetzt echt wichtiger.«
Wann ist diese Verbindung zwischen meinem Hirn und meinem Mund nur gerissen? Jan hat gar keine andere Möglichkeit, als mich für die größte Streberin zu halten, die nur an die Schule denkt. Dementsprechend geht er ohne ein weiteres Wort wieder ins Wohnzimmer zurück, und wir tun, was ich in seinen Augen am besten kann. Genau das, was man als fast vierzehnjähriges verliebtes Mädchen von seinem Traumtypen über sich hören möchte: »Die Katja ist toll, mit der kann man so gut lernen.«
8. Kapitel
D u bist echt total klasse, Katja, danke.« Das ist der Satz, den ich in der Woche darauf dann tatsächlich von Jan zu hören bekomme.
Dass er mal so etwas zu mir sagen würde, hätte ich nie gedacht. Und freue mich umso mehr darüber. Und schäme mich auch, weil der Anlass dafür alles andere als zum Freuen ist.
Als Jan nämlich heute zur Nachhilfe gekommen ist, habe ich gleich gemerkt, dass er überhaupt nicht gut drauf ist. Also habe ich ihm nur eine leichte Aufgabe in Mathe gegeben. Aber nicht einmal die konnte er lösen, er war sogar noch schlechter als zu Beginn unserer Nachhilfestunden und kapierte gar nichts. Ich war deshalb so was von genervt. Da gebe ich mir Mühe und erkläre ihm alles genau und er hört mir nicht einmal richtig zu.
»Soll ich dir ein Hörgerät von meinem Vater besorgen, damit was ankommt, oder ist außer deinem Ohr auch schon dein Hirn abgestorben?«
Jan schaut nur stumm vor sich hin und widerspricht mir nicht einmal. Sonst hat er doch immer eine Antwort parat.
»Hat dein argentinischer Lieblingsfußballer plötzlich aufgehört zu spielen und wird nie nach Deutschland kommen?«
Ich kann mir diese kleine Gemeinheit nicht verkneifen, nachdem er mir letzte Woche vorgeworfen hat, ich würde so schnell aufgeben und rumjammern. Ein bisschen schäbig komme ich mir trotzdem vor, als ich das sage. Das Schlimmste aber ist, dass Jan immer noch nichts darauf sagt,
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