Nachhilfe in Erster Liebe
gegenüber der Schule ein Stehcafé, wo ich mir was zum Frühstück holen und was trinken kann. Die einzige Gefahr wäre, dass meine Mutter zufällig Patricias Mutter trifft und was wegen des Übernachtens sagt. Aber da meine Mutter morgens früh aus dem Haus zum Arbeiten geht, Patricias Mutter aber wegen der vier Kinder zu Hause bleibt, kann das eigentlich kaum passieren.
So weit mein super Plan. Meine Realität sieht heute allerdings gar nicht mehr super aus. Denn mit Patricia bin ich ja seit Maries Geburtstag verkracht.
Mir ist deshalb schon den ganzen Mittwochmorgen schlecht, weil ich nicht weiß, wie ich Patricia fragen soll, ob ihr Angebot mit dem Übernachten trotzdem noch steht. Ich frage dann erst mal gar nicht, weil mich Patricia, Siri und Marie in den Pausen immer noch ignorieren, sondern beschließe, lieber mittags bei ihr daheim aufzukreuzen. Da ist wenigstens keine Siri dabei, die Patricia noch gegen mich anstachelt. Falls das überhaupt noch möglich und nötig ist.
So stehe ich jetzt jedenfalls zögernd vor Patricias Haustür und versuche mir Mut zu machen: »Wenn einem was wichtig ist, darf man nicht gleich aufgeben. Das Konzert ist mir wichtig, also reiß dich zusammen, Katja, und drück endlich auf die Klingel!«
Es klappt. Allerdings erst nachdem ich mir das mindestens
fünfzig Mal vorgesagt habe, und eigentlich auch nur, weil mir inzwischen zu kalt ist, um noch länger hier draußen zu stehen.
Dann stehe ich immerhin schon mal drin, aber Patricia bittet mich nicht in ihr Zimmer, sondern guckt mich nur kühl im Flur an. Ihr Blick fühlt sich kälter an, als es draußen war, und ich würde am liebsten sofort wieder gehen. Aber ich weiß, dass ich das jetzt durchziehen muss. Und wenn ich die ersten furchtbaren Nachhilfestunden mit Jan auch durchgezogen und überstanden habe, dann schaffe ich das hier erst recht.
»Ich gehe ja heute Abend zu dem Konzert von Jonas Hellborg. «
»Dein ›Date‹«, sagt Patricia spitz, »ich weiß. Aber ich weiß ja jetzt auch, wer immer dein richtiges Date war.«
»Das hat überhaupt nichts mit Jan zu tun«, stelle ich klar. »Ich gehe wirklich auf das Konzert, und zwar mit Patrick, meinem Gitarrenlehrer.«
»Dann viel Spaß«, wünscht mir Patricia und verschränkt die Arme, so als wär unser Gespräch schon zu Ende.
»Ich wollte doch dann bei dir übernachten«, komme ich lieber zum Punkt, weil Drumrumreden bei Patricia ja sowieso nichts bringt.
Sie sieht mich entgeistert an. »Hast du noch nicht genug gelogen?« Ich sehe sie jetzt auch entgeistert an, weil ich ja gar nicht lüge, sondern wirklich auf das Konzert gehe.
Doch Patricia meint es ganz anders. »Wenn du wegen deinem blöden Konzert deine Eltern auch noch anlügen willst, von mir aus, du hast ja jetzt schon Übung. Aber zieh mich nicht noch in deine miesen Lügen mit rein.«
Ich brauche echt einen Moment, um mich wieder zu fangen. »Du fandest das doch gut, von wegen ›jetzt geht die Pubertät erst richtig los‹ und so«, versuche ich sie umzustimmen. Patricia lacht verächtlich. »Was du unter Pubertät verstehst, hast du uns ja allen gezeigt: dir ’n Freund suchen und deine Freundinnen fallen lassen.«
Das will ich mir nicht bieten lassen, auch wenn’s für Patricia so aussehen muss, als ob es stimmt. »Du lässt doch gerade mich fallen, wenn du mir heute nicht hilfst«, argumentiere ich dagegen, »du bist dann kein bisschen besser.«
»Damit kann ich leben«, bleibt Patricia ganz ruhig. »Hauptsache, du merkst dann mal, wie übel sich das anfühlt, fallen gelassen zu werden.«
Ich fühle mich wie gelähmt und starre einfach nur vor mich hin. Ich glaube, ich brauche meine ganze Energie für meine Gedanken, die wie ein Planetensystem nach dem Urknall in meinem Kopf herumwirbeln. Ich habe nämlich jetzt ein richtig großes Problem. Da schaffe ich es, auf das Konzert zu kommen, und weiß nun nicht, wo ich die Nacht danach verbringe. Wenn Patricia mich nicht zu sich lässt, brauche ich es bei Marie und Siri auch nicht zu versuchen, rotiert es in meinem Schädel.
Und mit den anderen Mädels wie Carolin und Evelin, Lena oder Melli bin ich nicht so dick befreundet, dass ich da mal so schnell während der Woche über Nacht hinkönnte. Außerdem würden die mir mit ihren bohrenden Fragen, was jetzt genau mit Jan und mir läuft, bestimmt die ganze Nacht hindurch auf die Nerven gehen. Das halte ich ja kaum die zehn Minuten Pause in der Schule durch, wie soll das dann
über mehrere Stunden
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