Nachhilfe in Erster Liebe
schäme ich mich, weil ich kapiere, dass ich mich gerade vor Patrick wegen Jan geschämt habe. Dabei sollte man doch zu seinem Freund stehen, oder? Okay, er ist nicht mein Freund, aber trotzdem habe ich verheimlicht, dass wir uns kennen. Und kenne mich selbst nicht mehr, weil ich früher nie etwas verheimlich habe, während ich in den letzten Wochen eigentlich alles vor irgendjemandem verheimliche. Die Nachhilfe, das Kochen, das Katzenbegräbnis, das angebliche Computerspiel, meine Gefühle für Jan und den heutigen Konzertabend vor meinen Eltern.
Diese Heimlichkeit hat sich allerdings wirklich gelohnt. Ich erlebe hammermäßige Musik, mein allererstes Konzert mit coolem Shirt, das ich mir am Stand in der Halle kaufe,
Black Pat, der zwar auf mich aufpasst, aber nicht so peinlich dabei ist wie Eltern und mir sogar ’ne Cola und ’n Schokoriegel spendiert und verspricht, dass er so was jederzeit wieder mitmacht, wenn ich ihn brauche. Und weil ich mich über den ganzen Abend so freue, freue ich mich später auch darüber, dass ich Jan vorher wenigstens gesehen habe, wenn wir schon keine Nachhilfe zusammen haben können zurzeit.
Dann liefert mich »Black Pat« pünktlich und heil bei meiner Oma ab, die mit mir noch bis mindestens Mitternacht total cool quatscht, bevor ich dann völlig fertig von diesem Tag in ihr riesiges gemütliches Bett sinke und beim Einschlafen mein Leben gar nicht mehr so übel finde.
21. Kapitel
Ü bel ist mir auch am Donnerstag in der Schule nicht. Obwohl mich Patricia, Siri und Marie weiterhin ignorieren und Jan mich wegen gestern an der Ampel natürlich auch finster ansieht, strahle ich, weil ich immer noch an das gigantische Konzert denke und daran, dass ich das alles gestern überhaupt so gut hingekriegt habe. Das hätte ich nämlich ehrlich gesagt bis vor ein paar Wochen selbst nicht von mir gedacht. Auch wenn’s ein bisschen »illegal« war, bin ich ganz stolz auf mich, weil ich also offenbar was schaffen kann, wenn ich nur will. Das fühlt sich wahnsinnig neu und wahnsinnig gut an.
Außerdem muss ich nur noch einen Tag Schule überstehen, dann fliegen wir über Ostern nach Südfrankreich. Wärme, Sonne, Ferien, ein tolles Gefühl wegen gestern und wegen mir selbst – was soll mir heute noch passieren?
Das Schlimmste!
Es dauert allerdings bis zum Abendessen, bis es eintritt, und zwar in Form von Jan. Als es an der Haustür klingelt, ist meine Mutter genervt, wer uns ausgerechnet jetzt stört. Mein Bruder stiert in ein Buch und kriegt vor lauter Abilernerei
sowieso nichts mit. Weil mein Vater mich angrinst und sicher ist, dass es außer für mich sowieso für keinen sein kann, gehe ich also zur Tür und mache auf.
»Jan?«, ist alles, was mir nicht gerade kreativ einfällt, als ich ihn da stehen sehe. Und bevor mein Hirn meinen spontanen freudigen Gedanken, dass er mich jetzt doch in dieser Woche besucht, in ein strahlendes Lächeln umwandeln kann, melden meine Ohren schon den absoluten Horror zurück.
»Ich hab echt gedacht, du bist anders, aber danke, dass du mich lächerlich gemacht hast«, zischt mir Jan böse entgegen. Dann zuckt er verächtlich die Schultern. »Hätte ich nach gestern an der Ampel aber gleich wissen können.«
Auch wenn ich imstande wäre zu sprechen, wüsste ich nicht, was ich sagen sollte, weil ich überhaupt nicht weiß, was er meint. Dafür sagt Jan etwas.
»Ruf mich nie! wieder! an!«
Ich kann die Ausrufezeichen nach jedem Wort sogar hören.
Jans Augen sind dabei vor Zorn fast türkis. Merkwürdig, dass mir das jetzt auffällt. Dabei sollte ich ganz schnell Sätze sagen wie »komm doch erst mal rein« oder »sorry, aber ich hab echt null Plan, wovon du redest«. Stattdessen glotze ich wie der Heilbutt, der gerade im Wohnzimmer auf meinem Teller liegt. Oder in meinem Fall eher wie ein Kaputtbutt, denn heil ist in meiner Welt gar nichts mehr.
»Katja, dein Essen!«, mischt sich meine Mutter jetzt auch rufend ein.
»Ich bin eh fertig«, nickt Jan, »für immer«.
Er dreht sich um und lässt mich einfach stehen. Wenn »Liebeskollaps« als Krankheit erfunden wäre, ich hätte sie. Mein Herz rast, mir ist schwarz vor Augen, ich kriege keine Luft, mein Körper ist gelähmt und denken kann ich sowieso nichts mehr.
Ich wünsche mir, meine Mutter würde jetzt »Katja, wach auf« rufen, aber sie bleibt bei »Katja, dein Essen«. Das heißt leider nur eins: Dieser Albtraum ist Wirklichkeit! Ich weiß nicht, wie ich hineingeraten bin, wie ich wieder
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