Nachhilfe in Erster Liebe
will ich wissen. »Gar nicht«, schüttelt meine Oma den Kopf. »Ich wurde von meinem Vater überwacht, und Ludwig und ich hatten beide nicht den Mut, uns dann noch heimlich zu treffen. Vielleicht war es im Nachhinein besser so. Sonst hätte ich deinen Opa nicht geheiratet. Aber damit ist auch deine Frage von vorhin beantwortet, warum ich dir helfe, Katja: Es ist überflüssig, dass du auch so etwas erleben musst. Auch wenn dich deine Eltern natürlich nicht schlagen würden.«
Was Walburga für meine Oma war, ist meine Oma jetzt für mich, krass. Auch wenn man mit ihr nicht in die Disco oder aufs Konzert gehen kann, kann eine Oma trotzdem eine gute Freundin sein. Für mich sogar gerade die beste, weil sie meinen Abend rettet.
Einen Abend, an dem ich meinen Stress dann total vergesse, weil die Musik von Jonas Hellborg und seiner Band so toll ist und weil ich wieder genau weiß, dass sich für meinen E-Bass alle Nachhilfe- und Freundinnenqualen lohnen, und weil ich stolz auf mich bin, dass ich nicht aufgegeben habe, und weil ich durchgezogen habe, was mir wichtig ist – und weil ich sogar Jan noch sehe! Aber das ist wieder ein anderes Kapitel.
20. Kapitel
E rst einmal gebe ich zu Hause Bescheid, dass ich heute bei meiner Oma übernachten werde.
»Endlich begreifst du, dass auch deine Verwandtschaft wichtig ist und nicht nur deine Freundinnen, Katja«, freut sich meine Mutter, und ich freue mich, dass sie keinen Verdacht schöpft. »Da kannst du gleich nächste Woche noch Tante Marianne und Onkel Lothar besuchen. Am besten melde ich dich schon mal bei ihnen an«, strahlt meine Mutter.
Ich strahle natürlich ganz und gar nicht über diese grauenvolle Aussicht, aber ich habe auch keine Zeit zum Diskutieren, weil ich dringend meine Schulsachen für morgen, Schminksachen und Klamotten packen muss. Unauffällige, weil ich ja offiziell nur zu meiner Oma gehe, und konzerttaugliche, die ich dann schnell bei meiner Oma anziehe. »Black Pat« habe ich schon Bescheid gegeben, dass er dorthin und nicht an die Hauptstraße kommen soll, um mich abzuholen.
Dann ist es endlich so weit. Ich stehe bei meiner Oma und warte darauf, dass Patrick klingelt. Fast fühlt es sich doch wie
ein richtiges Date an, auch wenn es nur mein Gitarrenlehrer ist.
Meine Oma sieht mich an, und ich sehe ihr an, dass sie am liebsten etwas sagen würde zu meinen schwarzen Klamotten und meinen schwarz geschminkten Augen. Aber dann seufzt sie doch nur und hat damit eigentlich auch schon genug gesagt.
Black Pat stellt sich per Handschlag als Herr Patrick Schwarz vor, überreicht meiner Oma sogar eine Visitenkarte von sich, und sie notiert tatsächlich seine Autonummer, was mir mal wieder richtig peinlich ist. Aber Pat lacht nur und gibt meiner Oma sogar recht: »Besser zu viel vorsorgen, als wenn dann was passiert.«
Ich drängle, damit jetzt endlich auch was passiert und wir losfahren.
Und dann passiert das total Unerwartete: Wir sehen Jan! Als Patrick und ich nämlich mit seinem alten Mini Cooper – natürlich mit Aufkleber »Sex, Drugs, Rock ’n’ Roll«, den meine Oma zum Glück gar nicht gesehen hat, weil sie so auf die Autonummer fixiert war – an der roten Ampel in der Hauptstraße warten, kommt ausgerechnet Jan auf seinem Waveboard an und überquert direkt vor uns den Zebrastreifen. Ich starre ihn völlig ungläubig über diesen Zufall an, und natürlich auch, weil er einfach total cool aussieht, wie er auf einem so wackeligen Waveboard so sicher fahren kann.
Bestimmt hat er gemerkt, dass er so angestarrt wird, denn jetzt starrt auch er zu uns ins Auto. Und starrt wiederum so sehr, dass er die Bordsteinkante übersieht, dagegenfährt und
vom Board fällt. Könnte eigentlich auch »Boardsteinkante« heißen.
»Spitzentrick«, lacht Patrick. Und obwohl ich sein Lachen ganz fies finde, lächle ich trotzdem auch, weil ich mich auf einmal so erleichtert fühle, dass nicht bloß mir immer solche Peinlichkeiten passieren, wie mit dem Waveboard an eine Eisenstange zu fahren, sondern selbst dem absoluten Waveboardfreak Jan.
Ich überlege fieberhaft, ob ich jetzt die Tür aufmachen und Jan helfen soll. Aber zum einen rappelt er sich schon selbst wieder auf und scheint sich auch nicht verletzt zu haben, zum anderen ist es mir vor Patrick sogar irgendwie unangenehm, dass er denkt, ich kenne einen, den er für ’n Loser hält.
Ich kenne so ein Gefühl gar nicht von mir, und plötzlich, als die Ampel auf Grün springt und wir weiterfahren,
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