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Nachhinein

Nachhinein

Titel: Nachhinein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kraenzler
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Glitschfische, die sich unter mir tummeln mögen und nach meinen Füßen greifen ⁠…
    Das Nicht-Wissen und Alles-Ahnen, das jeden zitternden Muskel zur Eile antreibt.
    Das Schaudern.
    Die inbrünstigen Stoßgebete, kurz bevor sich die Wasseroberfläche über dem Scheitel schließt, und ich, mit rasendem Hasenherz, die feigen Lider hochstemme, um endlich einen ersten, bangen Blick durch die Gläser der Taucherbrille zu werfen – und nichts zu sehen.
    Nichts als grün-braune Fluten.
    Das Wasser hält sich stets bedeckt; denkt nicht daran, seine Gefahren zu offenbaren.
    Alles lauert. Genau wie hier ⁠…
    Ich bin dir also nachgefolgt. Schnurstracks auf das bunte Irrlicht zu.
    Dein Bruder, halb versunken in den ockerfarbenen Sofamassen, zielt mit der Fernbedienung auf den Bildschirm und lässt ihn die Farbe wechseln.
    Ich erkenne den Hinterhalt und bleibe stehen, meide die plüschigen Sitzflächen. Innerlich schüttle ich den Kopf über die Zutraulichkeit, mit der du dich den Polstern näherst, die sich, kaum dass du dich gesetzt hast, an dir festsaugen.
    Misstrauisch schiebe ich ein winziges Stück Pobacke auf den Rand einer Lehne. Die plüschigen Couch-Tentakel jagen mir kleine Gänsehautschauer über Rücken und Unterarme.
    Auf der Suche nach Ablenkung wende ich mein Gesicht den bewegten Bildern zu.
    Die Glotze präsentiert ein rechteckiges Schildchen mit geheimnisvollen Schriftzeichen. Ich lese den Namen »Paula Abdul« und darunter »Opposites Attract«.
    »Abdul« ⁠… Das klingt nach »Tausendundeine Nacht«. Fliegende Teppiche sausen an meinem inneren Auge vorüber, auf denen Scheherazade, Sindbad, Aladin, König Salomon, Ali Baba und vierzig, nach Gold, Weihrauch und Myrrhe duftende Räuber sitzen ⁠… Bevor ich ihnen nachwinken kann, wechselt das Fernsehbild.
    Eine dunkelhaarige junge Frau mit leuchtendrotem Lippenstift taucht auf. Sie singt, lächelt und zwinkert keck in die Kamera. Wann immer sie den Kopf auch nur ein wenig zur Seite neigt, streifen riesige, funkelnde Ohrringe ihre nackten Schultern.
    Offensichtlich animiert meine Anwesenheit deinen Bruder zum Sprechen.
    Er stellt die obligatorische Frage nach der Schule. Ich kann seine Stimme nicht ausstehen und antworte, ohne den Blick vom TV abzuwenden.
    Die Sängerin mit den gigantischen Ohrhängern hat inzwischen Gesellschaft bekommen. Ein brauner Zeichentrickkater, dessen Zuhause die zerbeulten Mülltonnen irgendeines schäbigen Hinterhofs sind, macht ihr singend und tanzend den Hof.
    Da schießt ein langer Bruderarm aus dem Plüsch. Für Sekunden schwebt die Fernbedienung über ungekämmten Locken, dann klopft das harte Plastik rhythmisch gegen deine Stirn.
    Dass ich keine schulischen Probleme hätte, sei ja klar ⁠… Aber die hier, sagt er und klopft weiter, die ist ’ne hohle Nuss!
    Paula Abdul trägt jetzt ein kurzes, trägerloses Kleid. Der Kater berührt ihre Schulter mit dem Zeigefinger und verbrennt sich dabei. Sein rot angeschwollener Finger pulsiert im Takt. Der Kater pustet panisch.
    Die Bruderstimme fragt mich, ob ich wisse, dass du die Klasse wiederholen musst. Mit erstaunten Augenbrauen wende ich mich um.
    Nein, das wusste ich nicht.
    Vor der Backsteinmauer des Hinterhofs stehen zwei ausgebaute Autositze. Der Kater wirft Paula, die ihr Kleid gegen eine glänzende Lederjacke und hautenge Jeans getauscht hat, auf die Sitze und hält ihre Arme fest. Sein Gesicht kommt ihrem ganz nah.
    Du sitzt derweil auffallend still, den Blick starr auf den überquellenden Aschenbecher gerichtet.
    »Ja ⁠… jetzt kriegt sie die Gosch nicht auf ⁠…« Michael, Daniel, Raffael oder wie auch immer dein Bruder heißen mag, zieht ärgerlich die Brauen zusammen. Er steckt sich eine Zigarette unter das dünne Oberlippenbärtchen und verlangt nach Feuer.
    Ein silberner Ghettoblaster stößt gelbe, blaue und pinkfarbene Noten aus. Das ungleiche Paar tanzt zwischen Fabrikschornsteinen. Der Katzenschwanz fährt unter den Saum des Minikleids und lässt es hochfliegen ⁠…
    MichaelDanielRaffael rutscht in deine Sofahälfte und legt den Arm um dich. Er parkt die Zigarette im Aschenbecher, zwinkert mir zu und zieht am Ausschnitt deines T-Shirts. Mit gierigen Augen schielt er in den Kragen. »So ⁠… Hier wächst ja schon was«, lacht er und zwickt dir in die Brustwarzen.
    Indessen schlängelt der Katzenschwanz auf Paulas Dekolleté zu. Sie bemerkt es und bestraft den Vorstoß mit einem energischen Klapps.
    Du bestrafst niemanden. Rührst dich

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