Nachricht von dir
als sie ihn jedoch verließ, wurde ihm alles zu schwer. Denn die Öffentlichkeit hat ein falsches Bild von Jonathan Lempereur: Sein Streben nach Anerkennung, sein Ehrgeiz, seine Zugeständnisse an das Star System sind kein Zeichen von Größenwahn. Ich glaube, er hat das alles für Francesca getan. Um ihr zu gefallen, damit sie ihn liebte. Ab dem Moment ihrer Trennung hat ihn nach meiner Einschätzung einfach nichts mehr interessiert. Für ihn hat alles seinen Sinn verloren …
»Was machst du denn da?«
Madeline zuckte zusammen und drehte sich wie ertappt um. Raphael, im Morgenrock und recht verschlafen, betrachtete sie mit einem seltsamen Gesichtsausdruck.
»Nichts, nichts«, versicherte sie und klappte den Laptop überstürzt zu. »Ich … ich habe meine Überweisungen erledigt, Steuern, Miete, offene Rechnungen – du kennst das ja.«
»Aber es ist zwei Uhr nachts!«
»Ich konnte nicht schlafen, Darling«, erklärte sie und nahm ihre Brille ab.
Sie trank einen Schluck des inzwischen kalten Tees, schaute in die Kekspackung, musste jedoch feststellen, dass sie leer war.
Raphael beugte sich zu ihr, um sie auf den Mund zu küssen. Er schob eine Hand unter ihr Nachthemd und streichelte ihren Bauch. Dann wanderte sein Mund Madelines Hals hinab. Langsam streifte er einen Träger ihres Seiden-Negligés hinunter, dann den zweiten …
Seine Liebesbemühungen wurden durch die Melodie von Jumpin’ Jack Flash unterbrochen. Raphael zuckte vor Überraschung zusammen und wich leicht zurück.
Madeline warf einen Blick auf Jonathans Handy, das neben ihrem Computer vibrierte. Das Foto einer dunkelhaarigen Frau mit ernstem Gesicht und schwarzen, tief liegenden Augen, war auf dem Display zu sehen. Darüber stand ein Name:
FRANCESCA
Ohne nachzudenken, nahm Madeline das Gespräch an …
»Papa, mir ist kalt.«
Jonathan hob den Blick vom Display. Seit einer Stunde war er in seine Gehirnakrobatik versunken und versuchte erfolglos, Madelines Passwort zu knacken. Er hatte einen größeren Teil ihrer E -Mails gelesen, dabei geduldig kleine Informationen gesammelt und bei jedem neuen Hinweis versucht, ein entsprechendes Passwort zu finden.
»Hol dir einen Pulli, Liebling«, sagte er und reichte ihm eine Papierserviette, damit er seine Nase putzen konnte.
Die Sonne war verschwunden und hatte einem weißen, dichten Nebel Platz gemacht, der über den Straßen und dem Park vor der Terrasse hing. San Francisco hatte nicht umsonst den Beinamen Fog City . Die Geschwindigkeit, mit der dichter Nebel innerhalb weniger Sekunden die Stadt und ihre berühmte Golden Gate Bridge einhüllen konnte, gehörte zu ihren geheimnisvollen und etwas verwirrenden Aspekten.
Als Charly in einem dicken Rollkragenpullover zurückkam, schaute Jonathan auf die Uhr.
»Gleich kommt Alessandra. Hast du Lust, mit ihr Wicked – Die Hexen von Oz anzuschauen?«
Der Junge nickte zustimmend, bevor er laut rief:
»Da ist sie!«
Und er hüpfte vor Freude beim Anblick seiner Babysitterin.
Die Studentin war die Tochter von Sandro Sandrini, dem Chef eines der ältesten italienischen Restaurants im Viertel. Sie hatte einen Studienplatz in Berkeley, und jedes Mal, wenn Charly nach Kalifornien kam, nahm Jonathan ihre Dienste in Anspruch.
Als er das junge Mädchen begrüßte, vibrierte das Handy in seiner Hand. Ein Blick auf das Display zeigte ihm die bekannte Telefonnummer seiner Exfrau!
»Hallo?«
Mit neutraler Stimme erklärte Francesca ihm, als sie versucht habe, ihn anzurufen, sei sie bei einer Pariserin gelandet, und diese habe ihr von der Verwechslung der Handys erzählt. Sie wollte nur hören, ob alles in Ordnung sei und kurz mit Charly sprechen.
»Deine Mutter«, sagte Jonathan und reichte seinem Sohn das Smartphone.
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Kapitel 8
Die, die man liebt
Manchmal ist die Liebe so, verstehst du.
Dann muss man den anderen gehen lassen.
Joseph O’Connor,
Desperados
Sonoma County
Kalifornien
Sonntagmorgen
»Du liebst Maman nicht mehr, stimmt’s?«, fragte Charly.
Der Austin Mini Kombi fuhr die zerklüftete Pazifikküste entlang. Jonathan und sein Sohn waren bereits in aller Frühe aufgestanden und hatten San Francisco über den Highway 1 verlassen. Der schwarze Sandstrand von Muir Beach lag schon hinter ihnen, ebenso wie das noble Dorf Bolinas, dessen Bewohner seit Jahrzehnten alle Hinweisschilder entfernten, um sich gegen den Massentourismus zu schützen.
»Also liebst du sie noch?«, insistierte der
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