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Nachricht von dir

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Titel: Nachricht von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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andere den Rockwell-See, der vierhundert Meter von der Schule entfernt lag. Sie förderten mehrere Autowracks, Einkaufswagen, ein Mofa, zwei Kühlschränke und verschiedene Sicherheitsabsperrungen zutage. Aber keine Leiche.
    Jim überprüfte sämtliche ein- und ausgegangenen Anrufe auf dem Handy. Er überprüfte alle Kontakte. Doch die vielen mühseligen Befragungen führten zu keinem Ergebnis.
     
     
    Weihnachten rückte näher, ohne dass die Untersuchung auch nur einen Millimeter vorangekommen wäre. Madeline verzichtete auf ihren Urlaub. Sie fing an, Medikamente zu nehmen, um ein paar Stunden schlafen zu können.
    Dabei war sie keine Anfängerin. Seit Jahren schon arbeitete sie in diesem tristen Viertel, und ebenso lange gehörten Gewalt und Grauen zu ihrem Alltag. Seit Jahren hielt sie sich an Tatorten, in Autopsieräumen auf und hatte es bei Verhören mit Ganoven der übelsten Sorte zu tun. Sie hatte Mörder gejagt, Vergewaltiger und Dealer verhaftet, Pädophile und Drogenschmuggler enttarnt. Insgesamt hatte sie sicher in mehreren Dutzend Mordfällen ermittelt. Drei Jahre zuvor war sie bei einer Abrechnung zwischen zwei Gangs nur knapp dem Tod entkommen: Die Kugel einer 357er Magnum hatte sie gestreift und ihre Kopfhaut verletzt, sodass sie die Narbe unter ihrem Haar verstecken musste.
    Die Polizeiarbeit war ihr Leben.
    Sogar wenn sie Besessenheit, Einsamkeit und permanente Gefahr mit sich brachte.
    Sogar wenn man sich in den Augen von Verwandten, Freunden und Kollegen in ein Phantom verwandelte.
    Aber war das im aktuellen Fall nicht genau der zu zahlende Preis: Selbst ein Phantom werden, um ein anderes zu finden?
     
     
    Im Januar kontrollierten Jim und sein Team die Gespräche, die kurz vor und nach Alices Verschwinden von den Telefonzellen im Umkreis der Schule aus getätigt worden waren. Die Namen der Angerufenen wurden mit der Kartei der Polizei abgeglichen. Mehr als zweihundert Personen waren – zumeist wegen geringfügiger Delikte – aktenkundig. Alle wurden verhört, ihre Alibis überprüft und ihre Wohnungen durchsucht. Unter ihnen war auch ein Mann von etwa fünfzig Jahren, Fletcher Walsh, der zwanzig Jahre zuvor wegen Vergewaltigung verurteilt worden war und einen weißen Kombi besaß …
     
     
    Fletcher Walshs Alibi schien hieb- und stichfest, bei der Durchsuchung seiner Garage aber entdeckte die Hundestaffel Blutspuren auf dem Rücksitz des Wagens. Proben wurden an das Rechtsmedizinische Institut von Birmingham geschickt, und während sie auf die Ergebnisse warteten, wurde der Mann rund um die Uhr überwacht.
     
     
    Am 13. Februar erklärte ein Sprecher der Greater Manchester Police , die Blutspuren im Kombi von Fletcher Walsh könnten nicht mit Sicherheit Alice Dixon zugeordnet werden.
     
     
    Dann ließ das Medieninteresse nach. Die mit dem Fall betrauten Polizeieinheiten wurden anderweitig eingesetzt. Die Ermittlungen steckten fest.
     
     
    Madeline aber träumte weiterhin jede Nacht von Alice und wurde von ihrem Blick gleichsam verfolgt. Morgens stand sie mit der Hoffnung auf, ein neues Indiz zu finden, eine Spur, die man übersehen hatte.
    Ihre Kollegen und Vorgesetzten hatten sie stets für eine erfahrene Polizistin gehalten, diesmal aber schien sie den Boden unter den Füßen zu verlieren. Dabei war sie immer schon am besten gewesen, wenn sie den Schmerz der Opfer zu ihrem eigenen machte, so gefährlich diese fehlende Distanz auch sein mochte.
    So war es auch bei Alice gewesen. Vom ersten Tag an hatte ihr Verschwinden sie zutiefst betroffen. Dieses Mädchen erinnerte sie zu sehr an die Jugendliche, die sie selbst einmal gewesen war. Eine verwirrende Identifikation, eine konfuse Verbundenheit, eine tiefe Zuneigung. Sie wusste, dass diese Gefühle sie zerstören würden, konnte sich aber nicht davon befreien.
    Es war nicht nur eine persönliche Angelegenheit, nein, es war mehr als das. Es war die Gewissheit, dass sie im Grunde die Einzige war, die sich wirklich um das Schicksal des jungen Mädchens sorgte. Der Eindruck, an die Stelle ihrer Mutter getreten zu sein und die Verantwortung für ihr Verschwinden zu tragen.
    In dieser Nacht schwor sie sich etwas: Wenn es ihr nicht gelingen würde, Alice lebend zu finden, würde sie nie ein Kind bekommen …
     
     
    Ein Gefühl der Ohnmacht erfasste sie. Das war sogar schlimmer, als hätte man ihr Alices Tod mitgeteilt, denn so stellte sie sich ständig vor, was diese erdulden musste. Düstere und bedrückende Bilder füllten ihren

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