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Nachricht von dir

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Titel: Nachricht von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Musso
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fehlte mir. Innerhalb einer Woche hatte ich alles verloren. Vor wenigen Tagen lebte ich noch mit meiner Familie in einem Loft im TriBeCa, führte ein Firmenimperium, hatte eine Black Card und erhielt dreißig Interviewanfragen pro Woche … Heute Abend war mir zum Heulen zumute, und ich bereitete mich darauf vor, Silvester in der Einsamkeit eines schäbigen Zimmers zu verbringen.
    You ’ ll never walk alone …
    Eine traurige Klarheit entstand in mir. Ich verließ das Hotel und stieg in meinen Wagen. Im Fahren gab ich eine Adresse in das Navigationsgerät ein – Rue Maxime-Gorki in Aulnay-sous-Bois – und folgte den Anweisungen einer Frauenstimme. Auf dem Beifahrersitz stapelten sich die französischen und amerikanischen Zeitungen, die ich am Flughafen gekauft hatte. Die französische Presse, die mich in den letzten Jahren oft ignoriert hatte, überschlug sich jetzt förmlich vor Eifer: Lempereur, der entthronte Imperator; Lempereur am Ende; Der tiefe Fall von Lempereur  …
    Das war das Spiel der Medien, und ich war darauf vorbereitet. Trotzdem trafen mich diese Schlagzeilen mit der Wucht von Fausthieben. Es wollte mir nicht einmal mehr gelingen, mir einzureden, dass ich wieder Fuß fassen würde. Was konnte ich – außer Kochrezepte erfinden? Nichts oder nur wenig. Als ich Francesca verlor, hatte ich auch die Energie verloren, die mich vorantrieb, den Auslöser, der aus dem »gewöhnlichen« Sternekoch den Chef der weltbesten Tafel gemacht hatte. Es gab fünfundzwanzig Drei-Sterne-Restaurants in Frankreich und etwa achtzig auf der ganzen Welt, doch keines darunter mit einer Warteliste von über einem Jahr. Das war mein Zuhause , und ich wusste, dass ich es allein Francesca zu verdanken hatte. Denn was mich zum »Funktionieren« brachte, war diese Liebe, die Leidenschaft, das ständige Bedürfnis, sie zu betören. Ich war Francesca mit einunddreißig Jahren begegnet, doch ich suchte sie schon, als ich noch Schüler gewesen war. Fünfzehn Jahre, in denen ich hoffte, dass auf der Welt eine Frau wie sie existiert. Eine Frau, so schön wie Catherine Zeta-Jones, mit dem Verstand einer Simone de Beauvoir. Eine Frau mit zehn Stiletto-Paaren, die aber in der Lage ist, den Einfluss von Haydns Musik auf das Werk von Beethoven oder die Wirkung des Zufalls in der Malkunst von Pierre Soulages zu erläutern.
    Wenn Francesca einen Raum betrat, zog sie die Blicke magisch auf sich. Die Frauen wünschten sich, sie zur besten Freundin zu haben, die Männer, mit ihr ins Bett zu gehen, und die Kinder würden am liebsten mit ihr spielen. Das war alles automatisch, zwingend, unvermeidlich. Wir lebten unsere Jahre der Liebe in dieser verzehrenden Glut und außergewöhnlichen Aufgabenteilung: Ich hatte den Namen und den Ruf, sie den Glamour und die Anziehungskraft. Unsere Liebe hielt zehn Jahre in diesem prekären Gleichgewicht.
     
     
    Ich nahm die Autobahn und hatte Aulnay nach zwanzig Minuten erreicht. Ich fand problemlos einen Parkplatz in der Rue Maxime-Gorki, ganz in der Nähe des Hauses, in dem Christophe Salveyre wohnte.
    »Hier ist Jonathan«, meldete ich mich über die Sprechanlage.
    »Jonathan wer?«
    »Jonathan Lempereur, dein Cousin.«
    Salveyre war der Sohn der Schwester meiner Mutter. Wir hatten uns noch nie gesehen, bis er sich vor drei Jahren in New York telefonisch bei mir meldete. Er verbrachte seinen Urlaub in Big Apple und war nach einer Schlägerei in einer Bar von der Polizei festgenommen worden. Er kannte niemanden in Manhattan und war völlig abgebrannt. Aus familienbedingtem Mitgefühl hatte ich seine Kaution bezahlt und ihn für zwei Wochen in einer der Dependancen meines Restaurants beherbergt, bis die Angelegenheit abgeschlossen war. Er hatte mit offenen Karten gespielt und mich über seine Aktivitäten in Frankreich aufgeklärt: Er dealte mit Koks. Er hatte mir einen mächtigen Schrecken eingejagt, mir aber versichert, dass er auf amerikanischem Boden clean sei.
    »Was machst du denn hier?«, fragte er, nachdem er mir die Tür geöffnet hatte.
    »Ich muss dich um einen Gefallen bitten«, erwiderte ich und trat ungebeten ein.
    »Das passt mir gerade gar nicht. Ich bin nur hier, um ›aufzutanken‹ und bin gleich wieder weg.«
    »Es ist dringend.«
    »Was willst du?«
    »Ich brauche eine Waffe.«
    »Eine Waffe?«
    »Eine Knarre.«
    »Hast du ›Waffenhandel‹ auf meinem Türschild gelesen? Wie, bitteschön, soll ich dir auf die Schnelle ’ne Pistole besorgen?«
    »Streng deinen Grips an.«
    Salveyre

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