Nachricht von dir
dann fort:
»Später ist Lloyd Warner in mein Zimmer gekommen, um mir einen Deal vorzuschlagen. Er war bereit, unsere Schulden mit Nachsicht zu behandeln, aber unter der Bedingung …«
»… dass du mit ihm schläfst.«
Sie nickte.
»Als ich ihn abgewiesen habe, hat er sich auf mich gestürzt. Er hatte zu viel getrunken und sicher auch zu viel Koks genommen. Ich schrie, aber der Lärm einer Hochzeit im Hotel übertönte alles. Im Kampf mit ihm habe ich nach einer Statue auf dem Nachtkästchen gegriffen und sie ihm mit aller Kraft auf den Kopf geschlagen. Er brach zusammen. Zuerst dachte ich, er wäre ohnmächtig, aber er war tot.«
Verblüfft ließ sich Jonathan in den Sessel neben ihr sinken. Francesca war bleich, schien aber gefasst. Jonathan wusste nicht, ob er erleichtert oder wütend sein sollte. Seit zwei Jahren konnte er keiner Menschenseele mehr vertrauen, da er nie gedacht hätte, dass ihn seine Frau betrügen würde. »Warum hast du nicht die Polizei geholt?«
»Meinst du wirklich, sie hätten mir meine Version von legitimer Notwehr geglaubt? Bei den Schulden, die wir hatten? Mit der Nachricht, die ich in seinem Hotel hinterlassen hatte?«
»Was hast du mit der Leiche gemacht?«
»Ich war in der Pfahlbausuite abgestiegen, in der wir schon zusammen gewohnt hatten. Ich habe das Boot benutzt, das das Hotel seinen Gästen zur Verfügung stellt. Ein kleines Hacker Craft aus Mahagoni, erinnerst du dich? Ich habe es an den Anleger der Suite gefahren und die Leiche in die Kabine geschleift. Es war stockfinster. Ich habe gebetet, nicht auf die Küstenwache zu treffen, und den Körper dieses Dreckskerls zwanzig Meilen vom Ufer entfernt ins Wasser geworfen. Glücklicherweise habe ich daran gedacht, vorher seine Brieftasche und sein Handy an mich zu nehmen.«
»Hat im Hotel niemand bemerkt, dass du das Boot genommen hast?«
»Nein, die Hochzeit beanspruchte die ganze Aufmerksamkeit des Personals. Hältst du mich jetzt für ein Monster?«
Verunsichert drehte Jonathan den Kopf zur Seite, um Francescas Blick auszuweichen. Sie aber war entschlossen, alles loszuwerden, und fuhr fort:
»Ich war in Panik. Wenn Warners Verschwinden auf den Bahamas bekannt geworden wäre, hätte die Spur schnell zu mir geführt. Etliche Leute hatten uns beim Abendessen zusammen im Restaurant gesehen. Meine einzige Chance war, dass seine Leiche nicht sofort gefunden wurde. Darum hatte ich sie mit dem gusseisernen Bootshaken beschwert. Und es musste der Eindruck entstehen, Warner sei nach New York zurückgekehrt. Als ich mir sein Handy ansah, entdeckte ich eine E -Mail, die ihn zum Einchecken für den Rückflug aufforderte. Ich habe auf der Homepage der Fluggesellschaft das Formular ausgefüllt. Das war machbar, aber jemand musste in persona Lloyds Platz einnehmen. Also habe ich an George gedacht, der eine vage Ähnlichkeit mit Warner hatte.«
»George hat dir als Alibi gedient?«
»Ja, indem ich die Vorstellung weckte, er sei mein Geliebter, konnte ich meine Anwesenheit auf den Bahamas rechtfertigen und so tun, als sei er mit mir im Hotel gewesen. Und er hat auf dem Rückflug Warners Ausweis benutzt. Als wir am Flughafen JFK ankamen, habe ich ihn gebeten, verschiedene Einkäufe mit dessen Kreditkarte zu tätigen. Als man einige Tage später Warners Verschwinden gemeldet hat, war die Polizei überzeugt davon, er sei nach Manhattan zurückgekehrt. Niemand hat auf den Bahamas nachgeforscht, bis man sechs Monate später seine Leiche dort gefunden hat.«
»Wie ist der Stand der Ermittlungen?«
Ohne ihren Tee anzurühren, nahm Francesca eine Schachtel Dunhill, die auf dem Beistelltisch lag, und zündete sich eine Zigarette an.
»Ich weiß es nicht. Meiner Meinung nach haben sie die Akte geschlossen. Auf alle Fälle bin ich nie verhört worden, denn ›offiziell‹ habe ich ja nicht mit ihm, sondern mit George zu Abend gegessen.«
Der lang unterdrückte Zorn brach aus Jonathan heraus.
»Und warum hast du nicht mich, deinen Ehemann, angerufen? Hattest du so wenig Vertrauen zu mir? Dass du mir nichts von der Reise gesagt hast, mag ja noch angehen, aber mir einen Mord zu verheimlichen!«
»Ich wollte dich und Charly schützen, und ich wollte dich vor allem nicht zum Komplizen eines Mörders machen, damit wir nicht beide ins Gefängnis kommen. Die Chancen, dass mein Plan aufgeht, standen neun zu zehn. Überleg doch bitte: Wer hätte unser Kind aufgezogen, wenn wir verhaftet worden wären?«
Jonathan dachte über das Argument nach.
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