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Nachrichten an Paul

Nachrichten an Paul

Titel: Nachrichten an Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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Nachricht auf Facebook. Er ist nicht mal mehr online. Ich stürze mich in meine Übersetzungen.

August
     
    Zwei Tage später bin ich mit dem Fonduegerät durch und schlage mich mit der Bodenhacke rum. Was um Gottes Willen sind Vibrationswerte? Und warum spielen sie eine Rolle? Die Vibrationswerte werden entsprechend den in der Konformitätserklärung genannten Normen ermittelt. Ja aber wozu? Und warum ist Paul seit Tagen nicht online? Und warum habe ich seit Tagen nichts von Clara gehört? Es klopft vorne an der Tür, ich denke, es ist Dona Ermelinda und gehe nach vorne.
    Da steht Paul vor der Tür. So ist das bei einer Glastür – man sieht sofort, wer draußen steht.
    Ich kann es gar nicht glauben. Irgendwie hatte ich völlig vergessen, dass es Paul auch real gibt, also im wirklichen Leben, weil ich ihn ja immer nur virtuell treffe. Oft nur als kleiner schreibender Bleistift beim Chatten. Selten sichtbar auf dem Bildschirm. Und nun ist er plötzlich hier. In echt, sozusagen. Das ist ein bisschen so, als ob der Nachrichtensprecher oder der Wettermann plötzlich vor der Tür steht, obwohl er doch eigentlich in den Bildschirm gehört.
    „Was machst du denn hier?“, sage ich.
    „Dich besuchen?“, sagt Paul.
    „Ja aber ...“, sage ich.
    „Ja aber was?“, sagt Paul.
    „War´s in Vancouver vielleicht zu langweilig?“, frage ich.
    „Vielleicht wollte ich einfach hier sein“, sagt Paul. „Und was ist jetzt – kann ich reinkommen, oder soll ich das ganze Wochenende hier in der Tür stehen bleiben?“
    „Komm rein“, sage ich. „Klar Paul, komm rein.“
    Paul hat nur ein verlängertes Wochenende Zeit, dann muss er zurück, denn schließlich muss er arbeiten, und außerdem hat er die Prinzessin am nächsten Wochenende wieder. Paul ist die weite Strecke geflogen, nur um mich für ein langes Wochenende zu besuchen. Das kann doch kaum angehen. Das kann ich gar nicht glauben.
    „Du bist die weite Strecke geflogen, nur um mich zu besuchen?“, sage ich.
    Paul nickt.
    „Enge Sitze, Flugzeugessen, becherweise Orangensaft und das alles, nur um mich zu sehen?“, frage ich.
    „Inklusive Heathrow“, sagt Paul. „Mit fünfundvierzig Minuten Sicherheitskontrolle. Mit Schuhe ausziehen und Gürtel ablegen.“
    „Hallo die Enten“, sage ich, denn was anderes fällt mir dazu nun wirklich nicht ein.
     
    Ich fahre mit Paul in die Serra de Estrela oder vielleicht eher er mit mir. Oder vielleicht gegenseitig. Also wir sind mit seinem Leihwagen unterwegs. Er fährt und ich genieße das Nichtstun auf dem Beifahrersitz und sage, wo es langgeht. Die Serra de Estrela ist 1993 Meter hoch, deswegen haben sie am höchsten Punkt einen Turm gebaut, mit den fehlenden Metern, damit es zweitausend Meter werden, so wie in diesem Film mit Hugh Grant, wo ein Engländer auf einen Hügel steigt und von einem Berg herunterkommt. Na ja, so ähnlich jedenfalls. Denn da war´s Erde und hier ist´s ein Turm.
    Oben in den Bergen steigen wir aus und laufen ein Stück. Wir bleiben stehen, eng beieinander und sehen über die Landschaft. Wir erleben einen entspannten Tag nach einer aufregenden Nacht. Um es mal so zu sagen. Ich glaube, ich bin schon lange nicht mehr so glücklich gewesen. Ich hatte ganz vergessen, wie das ist.
    Wir gehen in einen der vielen Souvenirshops am Straßenrand. Es gibt Keramik, bunt bemaltes Tongeschirr zum an die Wand hängen und schwarze Keramiktöpfe, in denen man Eintöpfe im Ofen schmoren kann. Eintöpfe mit Kartoffeln und Ziegenfleisch und Knoblauch, Eintöpfe, wie sie hier in der Gegend üblich sind. Paul hält einen Teller in der Hand, er würde ihn gerne kaufen, fünf gelbe Sonnenblumen mit grünen Blättern auf beigem Grund, aber wie soll er ihn mitnehmen im Fluggepäck, da kommt der Teller ja in Scherben an. Paul kauft ihn trotzdem und schenkt ihn mir. Und so werde ich eine Erinnerung an dieses Wochenende haben, solange mir der Teller nicht runterfällt und in Scherben zerspringt. Es gibt Lederjacken in allen Größen, Farben und Formen, es gibt warme Hausschuhe aus hellem Leder mit puscheligem Fell innen, für die eisigen Winter hier oben in den Bergen. Es gibt schöne Postkarten vom Leben früher, in Schwarz-weiß. Die Fotos, nicht das Leben. Es gibt Schnitzereien aus Kork und bemalte Kacheln. Es gibt sogar eine Sonnenuhr aus bemalten Kacheln mit einem Zeiger aus Eisen.
    Wir kaufen einen Queijo da Serra , das ist dieser in ganz Portugal berühmte Käse, der hier im Gebirge aus Schafsmilch hergestellt wird

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