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Nachrichten aus Mittelerde

Nachrichten aus Mittelerde

Titel: Nachrichten aus Mittelerde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher J. R. R.; Tolkien Tolkien
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sein, dass sie damit von der Wahrheit nicht weit entfernt war; denn Aldarion war ein weitblickender Mann und sah jenen Tagen entgegen, in denen das Volk mehr Raum und Wohlstand brauchen würde. Ob er sich darüber gänzlich klar war oder nicht, er träumte jedenfalls vom Ruhm Númenors und von der Macht seiner Könige, und er suchte nach Stützpunkten, von wo aus sie ihren Herrschaftsbereich erweitern konnten. So dauerte es nicht lange, bis er sich von der Forstwirtschaft wieder dem Schiffbau zuwendete: Das Wunschbild eines gewaltigen Schiffes tauchte vor ihm auf, groß wie eine Burg, mit hohen Masten und Segeln wie Wolken, das Menschen und Ausrüstung tragen konnte, ausreichend für eine Stadt. Dann begannen auf den Werften von Rómenna Sägen und Hämmer ihre emsige Arbeit, und neben vielen kleineren Bauten nahm ein gewaltiger gerippter Schiffsrumpf Gestalt an, über den die Menschen staunten.
Turuphanto
nannten sie das Schiff, den Hölzernen Wal, doch dies war nicht sein Name.
    Obgleich Aldarion nicht mit ihr über dieses Vorhaben gesprochen hatte, erfuhr Erendis davon, und sie war unruhig. Daher sagte sie eines Tages zu ihm: »Was bedeutet diese Geschäftigkeit beim Schiffbau, Herr der Häfen? Haben wir nicht genug Schiffe? Wie viele schöne Bäume sind in diesem Jahr um ihr Leben gebracht worden?« Sie sprach leichthin und lächelte dabei.
    »Ein Mann an Land muss eine Arbeit haben«, antwortete er, »sogar wenn er eine liebreizende Frau hat. Bäume wachsen undBäume fallen. Ich habe mehr angepflanzt, als gefallen sind.« Auch er sprach in leichtem Ton, doch er sah ihr nicht ins Gesicht. Und sie sprachen nicht wieder über diese Dinge.
    Doch als Ancalime fast vier Jahre alt war, erklärte Aldarion Erendis schließlich offen, dass er den Wunsch habe, wieder von Númenor fortzusegeln. Sie saß schweigend da, denn er sagte nichts, was sie nicht schon wusste, und Worte waren überflüssig. Er wartete noch bis zum Geburtstag Ancalimes und widmete sich ihr an diesem Tag besonders. Sie lachte und war fröhlich, während anderen im Hause keineswegs so zumute war. Als sie zu Bett ging, sagte sie zu ihrem Vater: »Wohin wirst du mich in diesem Sommer mitnehmen,
tatanya
? Ich möchte das Weiße Haus im Schaf-Land sehen, von dem
mamil
erzählt.« Aldarion gab keine Antwort; und am nächsten Tag verließ er das Haus und war einige Tage verschwunden. Als alles bereit war, kehrte er zurück und sagte Erendis Lebewohl. Da traten gegen ihren Willen Tränen in ihre Augen. Sie schmerzten und verdrossen ihn, denn sein Entschluss stand fest, und sein Herz verhärtete sich. »Ich bitte dich, Erendis!«, sagte er. »Acht Jahre bin ich hiergeblieben. Du kannst den Sohn des Königs, der aus dem Geschlecht Tuors und Earendils stammt, nicht für immer mit sanften Banden fesseln. Und ich gehe nicht in meinen Tod. Ich werde bald zurückkehren.«
    »Bald?«, sagte sie. »Aber die Jahre sind unerbittlich, und du wirst sie nicht mit dir zurückbringen. Und meine Jahre sind kürzer als die deinen. Meine Jugend eilt hinweg; und wo sind die Kinder, und wo ist dein Erbe? Allzu lange und allzu oft in der letzten Zeit ist mein Bett kalt.« 22
    »Oft in der letzten Zeit dachte ich, dass es dir so lieber sei«, sagte Aldarion. »Aber lass uns einander nicht zürnen, selbst wenn wir nicht der gleichen Meinung sind. Sieh in deinen Spiegel, Erendis. Du bist schön, und kein Schatten des Alters liegt auf dir. Du hast genügend Zeit, um etwas davon meinemtiefen Verlangen zu opfern. Zwei Jahre! Zwei Jahre sind alles, worum ich dich bitte!«
    Doch Erendis antwortete: »Sag lieber: ›Zwei Jahre werde ich mir nehmen, ob du es willst oder nicht.‹ So nimm dir denn zwei Jahre! Aber nicht mehr. Ein Königssohn aus dem Geschlecht Earendils sollte auch ein Mann sein, der sein Wort hält.«
    Am nächsten Morgen eilte Aldarion fort. Er hob Ancalime hoch und küsste sie; doch obwohl sie sich an ihn klammerte, setzte er sie rasch auf den Boden und ritt davon. Bald darauf verließ das große Schiff den Hafen Rómenna. Er nannte es
Hirilonde
, Hafen-Finder, doch er segelte ohne den Segen Tar-Meneldurs von Númenor fort, und Erendis war weder am Hafen, um das Schiff mit dem grünen Zweig der Wiederkehr zu schmücken, noch sandte sie einen. Aldarions Gesicht war düster und besorgt, als er am Bug der
Hirilonde
stand, wo die Gattin seines Kapitäns einen großen Ast des
oiolaire
befestigt hatte; er aber blickte nicht zurück, bis der Meneltarma weit in der Ferne im

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