Nachrichten aus Mittelerde
Du willst, über all unsere Gründe Auskunft geben. Mit einem Wort aber lautet sein Rat (und der ist immer klug), dass wir, wenn der Angriff erfolgt, versuchen sollten, die Westlande zu halten, wo noch Eldar und Menschen Eurer Rasse wohnen, deren Herzen noch nicht verdunkelt sind. Zumindest müssen wir Eriador verteidigen, entlang der großen Flüsse westlich der Berge, die wir Hithaeglir nennen. Dies ist unsere wichtigste Verteidigungslinie. Doch in diesem Bergwall klafft im Süden, im Land Calenardhon, eine große Lücke, durch welche der Einfall aus dem Osten erfolgen muss. Schon kriecht die Feindseligkeit entlang der Küste auf sie zu. Diese Lücke könnte verteidigt und der Angriff verhindert werden, wenn wir einen Stützpunkt in der Nähe der Küste besäßen.
Dies hat Fürst Aldarion seit langem vorausgesehen. Bei Vinyalonde an der Mündung des Gwathló hat er lange daran gearbeitet, einen solchen Hafen anzulegen, der gegen Meer und Land gesichert ist; aber seine gewaltigen Anstrengungen sindvergeblich gewesen. Er besitzt in diesen Dingen große Kenntnisse, denn er hat viel von Círdan gelernt und weiß besser als irgendeiner um die Erfordernisse Eurer großen Schiffe. Aber niemals hat er genug Männer gehabt, da Círdan keine Schiffbauer oder Steinmetzen übrig hat.
Der König wird Seine eigenen Bedürfnisse kennen; doch wenn Er den Fürsten Aldarion mit Wohlwollen anhört und ihn, so gut er kann, unterstützt, dann wird die Hoffnung in der Welt größer sein. Die Erinnerungen an das Erste Zeitalter sind schwach, und alles in Mittelerde wird kälter. Lass nicht auch die uralte Freundschaft zwischen Eldar und Dúnedain dahinschwinden.
Bedenke! Die Finsternis, die kommen wird, ist voll von Hass gegen uns, doch Euch hasst sie nicht weniger. Das Große Meer ist für ihre Flügel nicht groß genug, wenn man ihr erlaubt, zu voller Größe heranzuwachsen.
Manwe behüte Euch unter dem Einen und sende Euren Segeln günstigen Wind.
Meneldur ließ das Pergament in seinen Schoß fallen. Riesige Wolken, getragen von einem Wind aus dem Osten, brachten frühe Dunkelheit, und die hohen Kerzen an seiner Seite schienen in der Düsternis zusammenzuschrumpfen, die das Gemach erfüllte.
»Rufe mich zu dir, May Eru, bevor diese Zeit anbricht!«, rief er laut. Dann sagte er zu sich selbst: »Wehe! Dass sein Stolz und meine Kälte unsere Herzen so lange voneinander getrennt haben. Doch jetzt, früher als vorgesehen, wird es eine Handlung der Klugheit sein, ihm das Szepter zu übergeben. Denn diese Dinge übersteigen meine Kraft. Als die Valar uns das Land des Geschenkes gaben, machten sie uns nicht zur ihren Stellvertretern: Sie verliehen uns die königliche Herrschaft über Númenor: nicht über die Welt. Sie sind die Herren. Wir wareneingesetzt, um Hass und Krieg zu verbannen, denn der Krieg war zu Ende und Morgoth aus Arda vertrieben. Daran glaubte ich, und so wurde es gelehrt. Doch wenn es in der Welt wieder dunkel wird, müssen die Herren es wissen, und sie haben mir kein Zeichen gesandt. Wenn nicht dieser Brief ein Zeichen ist. Was dann? Unsere Väter wurden für die Hilfe belohnt, die sie bei der Niederwerfung des Großen Schatten leisteten. Sollen ihre Söhne abseits stehen, wenn das Böse einen neuen Anführer findet? Ich habe zu viele Zweifel, um zu regieren. Sich vorbereiten oder nicht? Sich auf einen Krieg vorbereiten, der doch nur vermutet wird: mitten im Frieden Handwerker und Bauern für Schlacht und Blutvergießen ausbilden: Eisen in die Hände habgieriger Hauptleute legen, die nur den Sieg lieben und die Erschlagenen als Teil ihres Ruhmes betrachten werden? Werden sie zu Eru sagen:
Zumindest waren deine Feinde unter ihnen?
Oder die Hände falten, während Freunde ungerechterweise sterben: Menschen in trügerischem Frieden belassen, bis der Räuber vor dem Tor ist? Was werden sie dann tun: mit bloßen Händen gegen Eisen kämpfen und umsonst sterben oder fliehen mit den Schreien der Frauen im Rücken? Werden sie zu Eru sagen:
Zumindest habe ich kein Blut vergossen?
Wenn beide Wege ins Unheil führen, welchen Wert hat es dann, eine Wahl zu treffen? Lass die Valar herrschen! Ich werde Aldarion das Szepter übergeben. Doch auch dies ist eine Entscheidung, denn ich weiß, welchen Weg er beschreiten wird. Es sei denn, Erendis …«
Dann schweiften Meneldurs Gedanken voll Unruhe zu Erendis in Emerië. »Doch dort ist wenig Hoffnung (wenn man es Hoffnung nennen kann). Er wird sich in solch schwerwiegenden
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