Nachrichten aus Mittelerde
aus dem Norden von den Echoriath kommend, ein tiefes Bett gegraben und von dort die Steine der Brithiach in den Sirion gespült.
»Endlich!«, rief Voronwe. »Wir haben nicht vergeblich gehofft! Seht! Hier ist die Mündung des Trockenen Flusses: Dies ist die Straße, die wir einschlagen müssen.« 24 Sie stiegen in das Flussbett hinab, und als sich dieses nach Norden wandte, stieg der Untergrund steil an, und die Felswände auf beiden Seiten wurden höher. Im dünnen Licht stolperte Tuor zwischen den Steinen hindurch, mit denen das unebene Flussbett übersät war. »Wenn dies der Weg ist«, sagte er, »so ist er ziemlich mühsam für jemanden, der am Ende seiner Kräfte ist.«
»Und doch ist es der Weg, der zu Turgon führt«, sagte Voronwe.
»Dann wundert es mich umso mehr, dass sein Eingang offen und unbewacht daliegt«, sagte Tuor. »Ich hatte erwartet, ein großes, streng bewachtes Tor vorzufinden.«
»Das werdet Ihr noch sehen«, gab Voronwe zur Antwort. »Dies ist nur der Zugang. Ich habe ihn eine Straße genannt,doch mehr als dreihundert Jahre hat sie niemand betreten, ausgenommen wenige Boten mit geheimen Aufträgen. Die ganze Kunstfertigkeit der Noldor ist aufgewendet worden, um diesen Zugang zu tarnen, nachdem das Verborgene Volk ihn passiert hatte. Liegt diese Straße denn offen? Würdet Ihr sie bemerkt haben, wenn Ihr nicht einen Noldor zum Führer gehabt hättet? Oder wäre Euch der Gedanke gekommen, es könnte etwas anderes sein als das Werk von Regen und Wind und dem Wasser der Wildnis? Und waren da nicht die Adler, die Ihr gesehen habt? Sie gehören zur Gefolgschaft Thorondors, der einst auf dem Thangorodrim wohnte, bevor Morgoths Macht wuchs, und hausen nun seit dem Fall Fingolfins in Turgons Bergen. 25 Sie allein und die Noldor selbst kennen das Verborgene Königreich und wachen über seinem Himmel, wenn es auch bis jetzt noch kein Knecht des Feindes gewagt hat, sich so hoch in die Lüfte zu erheben. Sie bringen dem König Nachricht von allem, was draußen im Lande vorgeht. Wären wir Orks gewesen, so zweifle nicht, dass sie uns gepackt und aus großer Höhe auf die erbarmungslosen Klippen hinabgeschleudert hätten.«
»Ich zweifle nicht daran«, sagte Tuor. »Doch ich frage mich auch, ob nicht die Nachricht von unserem Kommen schneller zu Turgon gelangen wird als wir selbst. Ob dies gut oder schlecht ist, musst du am besten wissen.«
»Weder gut noch schlecht«, erwiderte Voronwe. »Das bewachte Tor können wir nicht unbemerkt passieren, ob man uns erwartet oder nicht. Und wenn wir dort angekommen sind, brauchen die Wachen keinen Beweis, dass wir keine Orks sind. Doch um hindurchzugelangen, brauchen wir eine bessere Begründung. Ihr könnt Euch die Gefahren nicht vorstellen, Tuor, denen wir uns dann gegenübersehen. Werft mir nicht vor, ich hätte Euch nicht vor dem gewarnt, was dann geschehen kann. Nur im Vertrauen darauf habe ich eingewilligt, Euch zu führen. Wenn dieses Vertrauen sich nicht bestätigt, werden wir mitgrößerer Gewissheit sterben als durch die Gefahren der Wildnis und des Winters.«
Doch Tuor erwiderte: »Prophezeie nichts mehr. Der Tod in der Wildnis ist sicher, und der Tod am Tor scheint mir zweifelhaft, trotz deiner Worte. Führe mich getrost weiter!«
Viele Meilen arbeiteten sie sich durch das Steingeröll des Trockenen Flusses, bis sie nicht mehr weiterkonnten und mit dem Abend Dunkelheit die tiefe Schlucht erfüllte. Sie kletterten am östlichen Ufer hinauf und hatten nun die zerstreuten Hügel erreicht, die den Bergen vorgelagert waren. Hinaufblickend sah Tuor, dass sie von gänzlich anderer Gestalt waren als alle Berge, die er bisher zu Gesicht bekommen hatte: Ihre Wände bestanden aus senkrechten, stufenförmig aufeinandergeschichteten Mauern, so dass sie wie vielstöckige, große Klippentürme aussahen. Der Tag hatte sich geneigt, das Land war grau und verhangen, und das Tal des Sirion war in Schatten gehüllt. Darauf führte Voronwe Tuor in eine kleine Höhle, in einem Abhang gelegen, von der man die einsamen Berghänge Dimbars überblickte. Sie krochen in die Höhle, lagen versteckt, aßen die letzten Bissen Nahrung, sie froren und waren müde, doch sie fanden keinen Schlaf. So gelangten sie im Abenddämmer des achtzehnten Tages des Hísime, am siebenunddreißigsten Tag ihrer Reise zu den Türmen der Echoriath, zur Festung Turgons, und durch die Macht Ulmos entgingen sie dem Verhängnis und der Heimtücke.
Als der erste Tagesschimmer grau durch die Nebel
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