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Nachrichten aus Mittelerde

Nachrichten aus Mittelerde

Titel: Nachrichten aus Mittelerde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher J. R. R.; Tolkien Tolkien
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Reichtum suchte, war er immer bereit, sich Ländereien anzueignen, auf die sonst keiner seiner Rasse Anspruch erhob. Er hatte Morwen einmal gesehen, als er auf einem Raubzug zu ihrem Haus ritt, doch bei ihrem Anblick hatte ihn große Furcht ergriffen. Er glaubte, in die grausamen Augen einer Weiß-Furie geblickt zu haben, und ihn überkam ein tödlicher Schrecken, der böse Geist könne über ihn kommen. Da er ihr Haus nicht durchsuchte, entdeckte er auch Túrin nicht, sonst wären die Tage des Erben des wahren Fürsten gezählt gewesen.
    Brodda machte die Strohköpfe, wie er die Leute von Hador nannte, zu Sklaven und ließ sich von ihnen in der Gegend nördlich von Húrins Haus eine hölzerne Halle erbauen. Seine Sklaven waren wie eine Viehherde in einem Gehege zusammengepfercht, doch sie wurden nachlässig bewacht. Unter ihnen fanden sich einige, die trotz aller Gefahr mutig und bereitwillig waren, der Herrin von Dor-lómin zu helfen. Durch sie erhieltMorwen geheime Nachrichten aus dem Land, wenn diese auch zu Hoffnungen kaum Anlass gaben.
    Brodda hatte Aerin zu seiner Frau gemacht und nicht zu seiner Sklavin, denn in seinem eigenen Gefolge gab es nur wenige Frauen und keine, die mit den Töchtern der Edain zu vergleichen gewesen wäre. Er hegte die Hoffnung, sich zur Herrschaft in diesem Land aufzuschwingen, einen Erben zu haben und die Herrschaft an diesen weiterzugeben.
    Darüber, was geschehen war und was in zukünftigen Tagen geschehen konnte, sprach Morwen mit Túrin nur wenig, und er selbst fürchtete, durch Fragen an ihr Schweigen zu rühren. Als die Ostlinge zum ersten Mal in Dor-lómin einfielen, sagte er zu seiner Mutter: »Wann kommt mein Vater zurück, um diese garstigen Diebe aus dem Land zu jagen? Warum kommt er nicht?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Morwen. »Es kann sein, dass er gefallen ist oder dass man ihn gefangen hält. Vielleicht hat es ihn auch sehr weit verschlagen, und er kann nicht zurückkehren, weil die Feinde uns eingeschlossen haben!«
    »Dann denke ich, dass er tot ist«, sagte Túrin und hielt vor der Mutter seine Tränen zurück. »Niemand könnte ihn davon abhalten heimzukommen, wenn er noch lebte.«
    »Ich glaube nicht, dass irgendeine dieser Vermutungen zutrifft, mein Sohn«, sagte Morwen.
     
    Mit fortschreitender Zeit schlich sich Sorge um ihren Sohn Túrin in Morwens Herz, denn sie sah voraus, dass ihm nichts anderes übrigbleiben würde, als Sklave der Ostlinge zu werden, bevor er viel älter geworden war. Deshalb entsann sie sich ihres Gespräches mit Húrin, und ihre Gedanken richteten sich wieder auf Doriath. Endlich entschloss sie sich, Túrin heimlich fortzuschicken, wenn es ihr möglich war, und König Thingol zu bitten, ihm Zuflucht zu gewähren. Und während sie dasaßund darüber nachgrübelte, wie sie es anfangen solle, hörte sie deutlich die Stimme Húrins in ihrem Inneren sagen:
»Geh ohne Säumen! Warte nicht auf mich!«
Doch die Geburt des Kindes rückte näher, und der Weg würde beschwerlich und gefährlich sein. Je länger sie zauderte, desto geringer wurden die Aussichten, zu entkommen. In ihrem Herzen nährte sie noch immer eine uneingestandene Hoffnung, denn eine geheime Stimme sagte ihr, dass Húrin nicht tot sei. In ihren durchwachten Nächten horchte sie auf das Geräusch seiner Schritte oder sie wachte auf, weil sie im Hof das Wiehern seines Pferdes zu hören glaubte. Obwohl sie dazu bereit war, ihren Sohn in den Hallen eines anderen aufziehen zu lassen, wie es zu jener Zeit Sitte war, wollte sie ihren Stolz dennoch nicht demütigen und Empfängerin von Almosen sein, kämen sie auch von einem König. Deshalb widerstand sie der Stimme Húrins oder der Erinnerung daran, und der erste Faden zu Túrins Schicksal war gesponnen.
     
    So rückte der Herbst des Jahres des Jammers heran, bevor Morwen zu ihrer Entscheidung gelangte, und jetzt musste sie rasch handeln. Sollte er abreisen, durfte man keine Zeit verlieren, denn sie fürchtete, man könne ihn abholen, wenn sie auch noch den Winter verstreichen ließ. Ostlinge schlichen um den Hof und kundschafteten das Haus aus. Also sagte sie unvermittelt zu Turin: »Dein Vater kommt nicht. Also musst du gehen, und zwar bald. Es wäre auch sein Wunsch.«
    »Gehen?«, rief Túrin. »Wohin sollen wir gehen? Über die Berge?« »Ja«, sagte Morwen. »Über die Berge nach Süden. Dort könnte es noch Hoffnung geben. Doch ich habe nicht uns beide gemeint, mein Sohn. Du musst allein gehen, ich aber muss hier

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