Nachrichten aus Mittelerde
zu sehen brauchte. Níniel! Níniel? Nein, Nienor, Húrins Tochter!«
Da packte ihn Túrin und schüttelte ihn, denn durch diese Worte vernahm er die Schritte seines Verhängnisses, die ihn einholten; doch in Entsetzen und Raserei leugnete er sie, so wie ein zu Tode gehetztes Tier alles in seiner Nähe verwunden will, bevor es stirbt.
»Ja, ich bin Túrin, Húrins Sohn«, schrie er. »Du hast es seit langem geahnt. Doch von Nienor, meiner Schwester, weißt du nichts. Nichts! Sie lebt im Verborgenen Königreich und ist in Sicherheit. Es ist eine Ausgeburt deiner eigenen gemeinen Seele, mein Weib um seinen Verstand zu bringen, und jetzt mich. Du humpelnder Bösewicht – wolltest du uns beide in den Tod treiben?«
Doch Brandir machte sich los. »Rühr mich nicht an!«, sagte er. »Hör auf mit dem tollen Gerede. Sie, die du dein Weib nennst, kam zu dir und pflegte dich, und du antwortetest nicht auf ihren Ruf. Doch ein anderer tat es für dich. Glaurung der Drache, dessen Zauberwerk, wie ich glaube, für euer beider Verhängnis verantwortlich ist. Und bevor er starb, sagte er:›Nienor, Tochter Húrins, hier ist dein Bruder, Verräter an seinen Feinden, treulos gegen Freunde, ein Fluch für seine Sippe, Túrin, Húrins Sohn.‹« Da ergriff Brandir plötzlich ein entrücktes Gelächter. »Auf dem Totenbett, sagt man, sprechen die Menschen die Wahrheit«, kicherte er. »Und ein Drache ebenfalls, wie es scheint! Túrin, Sohn Húrins, ein Fluch für deine Sippe und für alle, die dich beherbergen!«
Da griff Túrin nach Gurthang, und ein grausames Leuchten war in seinen Augen. »Und was soll man von dir sagen, Klumpfuß?«, sagte er langsam. »Wer hat ihr heimlich hinter meinem Rücken meinen richtigen Namen genannt? Wer brachte sie zu dem bösartigen Drachen? Wer stand dabei und ließ sie sterben? Wer kam hierher, um diese entsetzliche Nachricht schnellstens zu verbreiten? Wer weidet sich jetzt an meinem Anblick? Sprechen die Menschen die Wahrheit, bevor sie sterben? Dann sprich sie jetzt aus, rasch!«
Brandir, der in Túrins Gesicht seinen eigenen Tod las, stand still und zitterte nicht, obwohl er außer seiner Krücke keine Waffe hatte, und er sagte: »Es wäre eine lange Geschichte, wollte ich alles erzählen, was sich ereignet hat, und ich bin deiner überdrüssig. Aber du hast mich verleumdet, Sohn Húrins. Hat Glaurung dich verleumdet? Wenn du mich erschlägst, dann werden alle sehen, dass er es nicht getan hat. Doch ich fürchte mich nicht vor dem Tod, denn dann werde ich Níniel suchen gehen, die ich liebte, und vielleicht finde ich sie jenseits des Meeres wieder.«
»Níniel suchen!«, schrie Túrin. »Nein, Glaurung wirst du finden und mit dieser Brut zusammenliegen. Du wirst mit dem Wurm schlafen, deinem Seelenfreund, und in einer Finsternis mit ihm verwesen!« Dann hob er Gurthang, hieb nach Brandir und traf ihn tödlich. Die Menschen aber bedeckten ihre Augen vor dieser Tat, und als Túrin sich umwandte und Nen Girith verließ, flohen sie vor ihm voller Schrecken.
Dann wandelte er wie jemand, der seines Verstandes beraubtist, durch die wilden Wälder, verfluchte nun Mittelerde und das menschliche Leben und beschwor Níniel. Als aber die Raserei seines Schmerzes ihn schließlich verließ, ruhte er eine Weile, überdachte alle seine Taten und hörte sich selbst rufen: »Sie wohnt im Verborgenen Königreich und ist in Sicherheit!« Und er dachte, dass er jetzt, da sein Leben gänzlich zerstört war, dorthin gehen musste, denn aller Trug Glaurungs hatte ihn immer vom rechten Weg weggeführt. Deshalb machte er sich auf, ging zu den Teiglin-Stegen, und als er am Haudh-en-Elleth vorüberkam, rief er: »Bitter habe ich dafür bezahlt, o Finduilas, dass ich mich jemals mit dem Drachen einließ! Gib mir jetzt einen Rat!«
Doch als er gerade diese Worte rief, sah er zwölf wohlbewaffnete Jäger über die Stege kommen, und es waren Elben. Und als sie näher kamen, erkannte er einen von ihnen, denn es war Mablung, der Führer der Jäger Thingols. Und Mablung begrüßte ihn und sagte: »Túrin! Endlich habe ich dich doch noch gefunden. Ich suche dich und bin froh, dich lebend zu sehen, obwohl die Jahre schwer auf dir gelastet haben.«
»Schwer!«, erwiderte Túrin. »Ja, schwer wie die Füße Morgoths. Doch wenn du froh bist, mich lebend zu sehen, bist du der Letzte in Mittelerde, der das meint. Warum?«
»Weil dein Name bei uns in Ehren gehalten wurde«, antwortete Mablung. »Obwohl du vielen Gefahren entronnen
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