Nachruf auf eine Rose
das immer wollten.»
«Das mit der Insel habe ich schon ad acta gelegt.»
«Aber du sagtest doch immer, auf einer Insel würdest du dich sicher fühlen.»
«Das war einmal, auf einer Insel bist du wie gefangen. Ich möchte lieber eine große Jacht. Den Boston Whaler geben wir in Zahlung. Auf dem Meer findet uns niemand. Wir wären für immer in Sicherheit und könnten doch an jeder Insel anlegen.»
Alexander unterdrückte einen Seufzer und sagte dann fröhlich: «Also ein großes Boot. Nun lass uns aber darüber sprechen, was als Nächstes ansteht. Denn die Polizisten kommen wieder, so viel ist klar.»
«Okay.» Ihre Stimme klang zu gefügig, zu nachgiebig, und er drehte ihren Kopf zu sich, um ihr in die Augen zu sehen und um sicherzugehen, dass sie mitbekam, was er sagte. Der Ausdruck tiefster Müdigkeit und Verwirrung, der aus ihrem Blick sprach, traf ihn wie einen Faustschlag. Sie war erschöpft und aufgewühlt, was bedeutete, dass nicht mehr viel fehlte, und sie würde die Beherrschung verlieren, und nichts war so wichtig für sie, wie die Kontrolle über sich zu bewahren. In diesem Moment erinnerte sie ihn so stark an seine Mutter, dass er an sich halten musste, um sie nicht zu schlagen. Sie musste stark sein, einen eisernen Willen besitzen und sich in der Gewalt haben. Sie würde doch nicht etwa schlapp machen, jetzt wo sie fast am Ziel waren.
Sein Leben lang hatte er andere getäuscht und manipuliert. Unter Aufbietung all seiner Kräfte gelang es ihm, seiner Stimme einen ruhigen und entschlossenen Tonfall zu geben.
«Wir müssen über die nächsten Tage sprechen. Was wirst du also nicht tun?»
«Reden.»
«Braves Mädchen, das war die richtige Antwort. Du warst doch immer gut darin, Geheimnisse zu bewahren, also wirst du auch weiterhin den Mund halten.» Er beugte sich über sie und küsste ihre glatte Stirn, zog die Nase kraus, als er den abgestandenen Zigarettenrauch in ihrem Haar gewahr wurde. «Und wenn die Polizisten dir erzählen, was sie herausgefunden haben, dann leugnest du einfach oder sagst gar nichts, okay?»
«Ja.» Ihre Stimme klang dünn, wie die eines Kindes. «Aber die wissen sowieso schon viel.»
«Was zum Beispiel?»
«Das von Graham und Daddy, und was er getan hat. Sogar über Donald wissen sie Bescheid – ich habe dir doch von ihm erzählt, wie er mich angegriffen hat. Woher wissen sie das alles?»
«Sie sind Polizisten. Es ist ihr Job, Dinge herauszufinden, aber sie sind auch nur Menschen, wie wir, also glaub ja nicht, sie seien unbesiegbar.»
«Nach Onkel Alan haben sie mich nicht gefragt.»
«Das ist gut, aber mach dich darauf gefasst, dass sie es doch noch tun.» Er dachte an seine Unterhaltung mit Fenwick und beschloss, dass er ihr besser alles erzählen sollte. «Sie wissen von deinem Verhältnis mit ihm. Sie haben es mir gesagt.»
Zwei verräterische rote Flecken erschienen auf ihren Wangen.
«Ich hasse sie, diese verdammten Schweine, jeden Einzelnen von ihnen.» Sie bohrte ihre Fingernägel in sein Handgelenk. Mit festem Griff entfernte er ihre Hand. «Haben sie noch etwas über die andere Sache gesagt?»
Schon einmal hatte er Mühe gehabt, sie von diesem Thema wieder abzubringen.
«Es gibt nichts anderes.»
«Aber ja, ich sagte es dir doch. In der Nacht, als er starb –»
«Sally!» In seiner Stimme schwang eine Warnung mit. «Hör auf damit. Denk an das Urteil der Leichenschau. Alan hat Selbstmord begangen. Er ist tot, und das Einzige, was von ihm noch übrig ist, ist seine Asche. Halt einfach den Mund, dann wird sich alles von selbst regeln.»
«Aber manchmal sehe ich ihn im Traum, wie er dort im Auto sitzt und mich anschaut. Und immer noch lebt!»
«Schluss jetzt!» Er schlug sie hart auf den Handrücken, und sie verstummte. «Vergiss diese Träume, vergiss den alten Mann. Er ist für immer weg.» In seinem Ton lag so viel Ärger, dass sie sofort einlenkte.
«Ja, Alex.»
«Ich muss für ein paar Tage verreisen – nein, sieh mich nicht so an! Es gibt da ein paar Dinge geschäftlicher Art, auf die ich mich einstellen muss. Konzentrier du dich nur darauf, nichts zu sagen. Wir haben es vorher geschafft, Sally, und wir werden es wieder schaffen. Ich werde nicht weit weg fahren, also kein Grund zur Panik.»
Sie nickte, bemüht, ihrem Gesicht einen entschlossenen Ausdruck zu geben. Sie sah wieder fast so aus wie die Sally, die er kannte, und er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Sie war wie ein Chamäleon. Ihre Persönlichkeit war so verquer, ihr
Weitere Kostenlose Bücher