Nachruf auf eine Rose
Kilometer weiter nördlich, beugte sich Detective Chief Inspector Fenwick zwischen den abgewetzten Sitzbänken eines Zuges über die leblose Gestalt eines Mannes, dessen tote Augen vor Überraschung geweitet waren. Sein Führerschein wies ihn als Arthur Fish aus. Vorsichtig hob Fenwick seine Brieftasche auf, darauf bedacht, eventuell vorhandene Fingerabdrücke nicht zu verwischen. Eine Putzfrau, für die der Anblick von Schnapsleichen im Zug nichts Neues war, hatte den zusammengesackten Körper gefunden. Gerade als Fenwick sich entspannt zurückgelehnt hatte, um sich ganz der Lektüre eines guten Buches zu widmen, hatte ihn der Anruf erreicht. Er wohnte weniger als eine Viertelstunde Fußmarsch vom Bahnhof entfernt, und so war er dorthin gelaufen und lange vor dem Team eingetroffen. Die Kollegen von der Streife warteten draußen und hielten die wenigen Fahrgäste, die vielleicht etwas gesehen haben könnten, im Wartesaal zusammen.
Es war ein merkwürdig stiller und friedlicher Moment, als er allein über den Toten gebeugt dastand. Nur die kleine Blutlache, die sich dunkel vom Sitzpolster der Bank abhob, deutete auf einen gewaltsamen Tod hin. Er berührte nichts weiter, ließ lediglich seinen Blick über die Szenerie schweifen. Der Mantel des Mannes war schief zugeknöpft worden – der mittlere Knopf wurde vom unteren Knopfloch gehalten. Ein altmodischer, drei viertel langer Kamelhaarmantel, der sicher einmal teuer gewesen war. Auf dem Boden, zwischen seinen Wildlederschuhen, lag eine Kappe. Er musste um die fünfzig gewesen sein, hatte schütteres Haar und war ziemlich übergewichtig. Fenwick richtete sich auf und stieg aus dem Zug, um draußen auf die anderen zu warten.
Auf den Betonstufen, die zum Bahnsteig hinaufführten, waren schwere Schritte zu hören, und Detective Sergeant Coopers gerötetes und schnaufendes Gesicht tauchte auf.
«Das hat ja ganz schön gedauert!»
«Entschuldigen Sie, Sir! Auf der Umgehungsstraße ist ein Unfall passiert, die haben alles gesperrt, und wir mussten wieder umkehren und durch die Stadt fahren. Was haben wir denn?»
«Wie es aussieht, haben wir einen Mr Arthur Fish an Land gezogen. Er ist noch nicht lange tot, eine Putzfrau hat ihn …», er warf einen Blick auf seine Uhr und zog die Augenbrauen hoch, «vor einer Stunde gefunden. Police Constable Dane war als Erster hier und hat uns gerufen.»
«Verdächtige Umstände?»
«Sieht so aus. Auf dem Sitzpolster und auf seinem Mantel ist Blut. Keine Spur von einer Waffe. Lassen Sie uns hören, was Pendlebury zu sagen hat. Ich habe ihn gerade reingehen sehen.»
Die beiden Männer bestiegen den Zug und fanden einen verdrießlichen Gerichtsmediziner vor, der sich gerade über die Leiche beugte, wie kurz zuvor Fenwick. Er hatte Fishs Mantel, Jackett und Hemd aufgeknöpft und untersuchte die wabbelige, weiße Haut, die darunter zum Vorschein kam.
«Guten Abend, Doktor, haben Sie Arbeit für uns?»
Pendlebury antwortete nicht gleich. Er sah sich die Wunden noch eine Weile genau an, bevor er sagte: «Ja, das habe ich.» Dann vertiefte er sich wieder in die Untersuchung der Leiche.
Fenwick wartete, eine Taktik, die normalerweise bei diesem überaus schweigsamen Mann zum Erfolg führte. Doch heute schien er damit kein Glück zu haben, und so sah er sich schließlich gezwungen zu fragen: «Wie ist er gestorben?» Und rasch, in der Hoffnung, dass es als eine Frage durchgehen würde, schob er hinterher: «Und wann?»
«In der Brust sind drei Stichwunden, die so stark geblutet haben, dass ich annehme, dass wenigstens zwei davon nicht sofort tödlich waren. Woran er jedoch letztendlich gestorben ist, kann ich definitiv erst nach der Obduktion sagen.» Fenwicks zweite Frage blieb unbeantwortet.
Fenwick bemerkte Coopers Blick und verzog das Gesicht. Pendlebury war ein fähiger Pathologe, doch die Zusammenarbeit mit ihm konnte zuweilen anstrengend sein. Und in letzter Zeit war er noch wortkarger geworden.
Pendlebury sah, dass der Fotograf fertig war, und rief nach jemandem, der ihm helfen sollte, den Toten umzudrehen, so dass er die Körpertemperatur messen konnte. Die beiden Detectives verließen das Abteil mit der abgestandenen, stickigen Luft und stiegen aus dem Zug. Cooper forderte per Telefon Verstärkung an, dann stellte er die Frage, die er schon vor einer ganzen Weile hatte stellen wollen.
«Warum hat man Sie gerufen, Sir? Wir haben mindestens zwei Beamte in Rufbereitschaft, die die Sache hätten erledigen können.»
Mit
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