Nachruf auf eine Rose
Handbewegung bat Wainwright-Smiths Assistentin Fenwick, Platz zu nehmen. Fenwick blickte sich um. Das Büro hatte die Abmessungen eines großen Besprechungszimmers, und die spärliche Möblierung stand in einem merkwürdigen Gegensatz zur Größe des Raumes. Der Schreibtisch und einige Besucherstühle waren genau vor einem Panoramafenster platziert, das einen guten Überblick über die Stadt bot. Eine Wand war vollständig von holzfurnierten Aktenschränken bedeckt. Im gegenüberliegenden Teil waren zwei Sofas und drei Sessel um einen ausladenden Couchtisch gruppiert. Zwischen Schreibtisch und den Sofas markierte ein orientalischer Teppich eine Art Niemandsland.
Cooper hatte Wainwright-Smith seinerzeit zum Tod seines Onkels befragt, so dass Fenwick ihn bisher noch nicht kennen gelernt hatte. Er war bedeutend jünger, als er erwartet hatte. Sein Haar war von einem rötlichen Blond, seine Augen außergewöhnlich blau, auf seiner Nase waren vereinzelte Sommersprossen erkennbar, und sein Gesichtsausdruck war offen. Auf den ersten Blick machte er einen etwas willensschwachen Eindruck, doch sein Händedruck und der stete Blick verrieten Stärke und Intelligenz und warnten Fenwick davor, diesen Mann zu unterschätzen.
«Das ist ja ganz furchtbar. Wann ist es passiert?» Er klang entsetzt, aber gefasst.
«Gestern Abend.»
«Aber um fünf habe ich ihn doch noch im Büro gesehen, bevor er zu seinem Fakultätstreffen aufbrach.»
«Jeder scheint über diese Fakultätstreffen Bescheid zu wissen. Um was ging es dabei?»
«Das weiß ich auch nicht so genau, ich dachte, es hätte etwas mit seinem Studium zu tun. Alle wussten davon, und Arthur war regelrecht besessen von diesen Treffen. Er ging jeden Monat, und er hat, soviel ich weiß, nie ein Meeting versäumt. Sie hätten ihm eine Anwesenheitsmedaille verleihen müssen.»
Fenwick dachte an den Toten und daran, dass alles darauf hindeutete, dass der Mann kurz vor seinem Tod Sado-Maso-Sex gehabt hatte. Er fragte sich, welchen Eindruck dieses Wissen hinterlassen hätte. Würde er dadurch in der Erinnerung an Wertschätzung verlieren oder eher gewinnen?
Er stellte die üblichen Routinefragen über Arthur Fishs letzte Tage, doch als Geschäftsführer war Wainwright-Smith nicht mit dem Büroalltag seines Chefbuchhalters vertraut.
«Da kann Ihnen Neil Yarrell, der Leiter unserer Finanzabteilung, sicher eher weiterhelfen. Er hat die Abteilung ziemlich gut im Griff.» Wainwright-Smith zögerte. «Sie sagten, er sei umgebracht worden? Hätte es nicht auch Selbstmord sein können?» Er warf seiner Assistentin einen besorgten Blick zu. Sie hatte während der ganzen Befragung auf dem Sofa gesessen, die langen Beine züchtig nebeneinander, die Knie zusammengedrückt.
«Wir sind ziemlich sicher, dass es sich um Mord handelt. Wir haben keine Waffe gefunden, und so, wie er zu Tode gekommen ist, hätte er sich beim besten Willen nicht selbst umbringen können.»
«Wie ist er denn gestorben?»
«Wir dürfen noch keine Einzelheiten zu dem Fall bekannt geben. Wie kommen Sie denn auf Selbstmord?»
«Ach, das war nur so ein Gedanke.» Wieder ein rascher Seitenblick zu der Frau, als wollte er sich in irgendeiner Form rückversichern. «Es ist nur, dass …» Wainwright-Smith zögerte, und seine Assistentin trat zu ihm.
«… Mord so etwas Furchtbares und Schockierendes ist», beendete sie den Satz für ihn. Fenwick starrte das Paar an. Die beiden machten nicht den Eindruck, als wäre ihr Verhältnis rein dienstlich. Was hatte Wainwright-Smith sagen wollen, bevor sie ihm ins Wort fiel?
«Dann ist er also überfallen worden.» Sie wirkte vollkommen ruhig und beherrscht, gerade so, als sei ein gewaltsamer Tod etwas, mit dem man hin und wieder rechnen müsste.
«Wieso nehmen Sie an, dass er überfallen wurde?»
Die Frage schien sie zu verblüffen.
«Ja, sind das nicht die meisten Morde, die aus Gelegenheit begangen werden?»
«Und wie kommen Sie darauf, dass es sich um ein Gelegenheitsverbrechen handelt, Mrs …?»
«Wainwright-Smith, Sally. Ich bin Alex’ Frau. Natürlich dachte ich automatisch an einen Gelegenheitstäter. Wer sonst hätte einen Grund, ausgerechnet Arthur Fish töten zu wollen? Er konnte doch keiner Fliege etwas zu Leide tun.»
«Dann kannten Sie ihn also gut?»
«Das kann man nicht gerade behaupten. Nein, ich kannte ihn kaum. Und du, Alex?»
Ihr Mann wirkte immer noch erschüttert; sein Blick war besorgt.
«Natürlich kannte ich ihn. Schließlich habe ich direkt
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