Nachruf auf eine Rose
an?»
«Genau um acht Uhr in der Früh.»
«Und Sie sind bis Mitternacht geblieben. Das ist ein ziemlich langer Tag.»
Sie zögerte kurz, dann nickte sie.
«Was war gestern so los?»
«Wir hatten irre viel zu tun. Die Gäste sollten um sieben kommen, und wir hatten noch keines der Zimmer fertig. Wegen der Raumausstatter, wissen Sie. Sie waren spät dran mit den letzten Schlafräumen. Ich hab’s ihr ja gleich gesagt, sie soll diese Firma nicht nehmen, doch sie hat’s trotzdem getan. Nur, weil die billiger sind. Na ja, um ehrlich zu sein», sie nickte bestätigend, «haben sie doch ganz gute Arbeit geleistet. Doch das wundert mich nicht. Wollten sicher keinen Ärger mit ihr riskieren.»
«Aha, ich verstehe.» Fenwick schüttelte mitfühlend den Kopf.
Irene warf ihm einen zufriedenen Blick zu und nahm einen Schluck Tee.
«Möchten Sie einen Keks?»
«Ach ja, bitte, ich hab noch nicht gefrühstückt.»
Sie verschwand in der Speisekammer und kehrte mit einer Schachtel Vollkornkekse wieder. Sein Magen knurrte laut, und sie lachte, als sie nach dem Brotmesser griff, um das glänzende rote Zellophan aufzuschneiden. Mit einer einladenden Geste deutete sie auf das Gebäck.
«Bitte. Bedienen Sie sich.»
«Danke.»
«Also haben Sie von ihr schon gehört. Mann, das Arbeiten hier ist vielleicht anders geworden, kann ich Ihnen sagen.»
«Seit wann?»
«Seitdem der alte Mr Wainwright nicht mehr da ist, natürlich.»
«Dann haben Sie damals auch schon hier gearbeitet?»
«Klar, hin und wieder als Aushilfe. Mr und Mrs Willett waren damals noch hier. Sie hat den Haushalt gemacht, und er hat sich um den Garten gekümmert. Aber sie hat sie dann vor die Tür gesetzt. Einsparmaßnahmen, so nannte sie es. Sklaventreiberei würde eher passen. Ich sag Ihnen, diese Frau ist eiskalt. Gestern zum Beispiel. Wir, das heißt Shirley und ich, waren gestern um acht hier. Sie fuchtelt uns mit einer Liste unter der Nase rum, die war so lang, dass jeder vernünftige Mensch dafür ’ne Woche veranschlagt hätte. Aber sie doch nicht, oh nein!»
«Hat Mr Wainwright-Smith auch mitgeholfen?»
«Der arme Kerl, der war doch todmüde. Bin morgens in sein Schlafzimmer rein, da hat er noch geschnarcht, dass die Wände bebten.»
«Und Mrs Wainwright-Smith, wann ist sie weggefahren?», fragte Fenwick, einer plötzlichen Eingebung folgend. Seit gestern Abend misstraute er Sally, und er rechnete mit der Möglichkeit, dass sie ihn anlügen würde. Wenn er schon vorher abklärte, wo genau sie sich aufgehalten hatte, dann hätte er ein deutlich besseres Gefühl.
Ein berechnender Zug trat auf Irenes Gesicht, doch Fenwick blickte sie mit einem Ausdruck völliger Arglosigkeit an.
«Sie sagen ihr aber nicht, dass Sie das von mir haben!»
«Das kann ich Ihnen nicht versprechen, aber ich werde keine Namen nennen, wenn es nicht unbedingt erforderlich sein sollte.»
«Hm.» Sie dachte eine Weile darüber nach. Fenwick trank seinen restlichen Tee aus und wartete.
«Okay. Aber Sie fragen Shirley auch, dann denkt sie nicht gleich, dass ich es war. Also, sie ist so gegen halb neun weg, vielleicht auch schon früher. Wollte als Erstes zum Markt, um Obst und Gemüse fürs Abendessen zu besorgen. Und bevor Sie fragen: Ich habe sie erst mittags wieder gesehen. Doch sie muss vorher kurz da gewesen sein, denn das ganze Grünzeug stand plötzlich in der Küche. Das war so um die Zeit, als wir Kaffee tranken.»
«Wann war das?»
«Weiß nicht mehr genau, mal überlegen. Ich war oben, und Shirl war hier unten. Um neun haben wir ’ne Tasse Tee getrunken.» Sie sah ihn schuldbewusst an. «Das waren höchstens ein paar Minuten. So gegen elf stand das Gemüse dann neben der Tür, in der prallen Sonne. Erst kauft sie es ganz frisch auf dem Markt, und dann wird das Zeug in der Sonne ganz labberig. Sie muss es wirklich sehr eilig gehabt haben. Jetzt, wo ich’s sage: Sie hat uns den ganzen Morgen über nicht einmal kontrolliert, das ist wirklich ungewöhnlich!»
«Und wann ist Mr Wainwright-Smith aufgestanden?»
«Was hat denn das damit zu tun? Warum wollen Sie das alles wissen?»
Fenwick sagte ihr den Grund und beobachtete ihren Gesichtsausdruck, während sie die Nachricht in sich aufnahm. Der Schrecken wurde bald von Neugierde und einem morbiden Interesse an weiteren Details verdrängt.
«Und wann soll er gestorben sein?»
«Irgendwann gestern.»
«Und erst nach Mitternacht hat man ihn gefunden. Ich muss an ihm vorbeigeradelt sein.» Sie schüttelte sich.
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