Nachruf auf eine Rose
einkaufen würde. Cooper, Sie befragen Julia Wainwright-McAdam. Sie und Colin haben hier übernachtet. Fragen Sie Jenny, ob Graham irgendwelchen Schmuck getragen hat, und falls ja, dann soll sie ihn beschreiben. Dann möchte ich Fotos von allen Leuten, die gestern Abend hier zu Gast waren sowie von Graham Wainwright und Neil Yarrell. Ach, und kümmern Sie sich darum, dass die Spurensicherung die Abdrücke unter dem Baum nimmt.»
«Wozu brauchen Sie die Fotos, Sir?»
«Das weiß ich noch nicht so genau, aber ich werde sie brauchen, so viel ist sicher. Ich werde mich auf dem Gelände ein bisschen umsehen, bis Sie so weit sind. Wir treffen uns dann in einer halben Stunde beim Wagen.»
Vor der Teambesprechung um zehn musste er in Ruhe noch einmal über alles nachdenken. Er würde die Mannschaft überzeugen müssen, dass es sich hier um einen Mordfall handelte, ohne jedoch die Fakten, die er hatte, übertrieben darzustellen. Sonst wäre Detective Inspector Blite, noch ehe er sich’s versah, beim Assistant Chief Constable.
Sally stand vor der Doppelflügeltür und blickte den drei Polizeibeamten hinterher, wie sie die lange kiesbestreute Auffahrt entlangschritten. Als sie sich umwandte, stand Alexander hinter ihr in der Eingangshalle.
«Hier bist du! Geht’s dir gut?»
Sally nickte und lehnte sich an ihn.
«Du bist schrecklich blass, Sal, und du isst bestimmt auch wieder nicht richtig. Ich hab dich gestern beim Abendessen beobachtet.» Was er ihr eigentlich sagen wollte, war, dass sie seiner Meinung nach viel zu viel trank, doch er wusste nicht, wie er das Thema zur Sprache bringen sollte.
«Reg dich nicht auf, Alex, mir geht es gut. Ich trink erst mal eine Tasse Kaffee, das wird mich wach machen.» Da bemerkte sie, dass er fürs Büro angezogen war.
«Gehst du etwa zur Arbeit? Aber heute ist Samstag!»
«Ja, das hatte ich eigentlich vor. Außer, du möchtest, dass ich bleibe.»
Sie schüttelte den Kopf, unfähig, die Energie aufzubringen, die erforderlich wäre, um mit seinem Arbeitseifer Schritt zu halten.
«Nein, ist schon in Ordnung. Geh nur. Aber da ist etwas, was ich mit dir besprechen möchte. Es ist ziemlich wichtig.»
Sie begleitete ihn zu seinem Wagen, der im hellen Licht der Frühlingssonne stand. Er öffnete die Fahrertür, um etwas frische Luft ins Fahrzeug zu lassen.
«Grahams Tod hat mich dazu gebracht, über Dinge nachzudenken, die ich normalerweise zu verdrängen versuche», sagte Sally leise. Sie wirkte erschöpft, sogar traurig.
Alexander legte tröstend den Arm um sie, drückte ihre schlanke Gestalt an seine Brust und hielt sie fest. Er küsste sie auf den Haaransatz und genoss die sanfte Berührung an seiner Wange. Sie seufzte, und ihre Anspannung ließ langsam nach.
«Ich habe über den Tod nachgedacht und darüber, wie schnell das Schicksal zuschlagen kann und alles verändert. Wir sollten besser vorbereitet sein, und so schwer es mir fällt, das zu sagen, aber wir haben noch nie daran gedacht, so etwas wie ein Testament zu verfassen.»
Zu ihrer Überraschung hörte sie ihren Mann lachen.
«Natürlich habe ich daran gedacht. Sofort nach unserer Heirat.»
«Aber Jeremy …» Sie verstummte abrupt.
«Oh, das sieht Kemp wieder ähnlich, dich mit derlei Fragen zu belasten. Ich habe mich nicht an ihn gewandt. Ich habe so ein Do-it-yourself-Testament, du weißt schon, so einen Vordruck genommen. Zum damaligen Zeitpunkt konnte ich mir sein Honorar nicht leisten.»
«Doch seitdem hat sich viel verändert.» Sie deutete auf das Haus und das Grundstück. «Solltest du es nicht anpassen?»
«Das habe ich schon getan, sogar mehrmals. Das aktuelle Testament ist sicher in unserem Bankschließfach untergebracht, so kann es nicht verloren gehen. Mach dir keine Sorgen, vor allem jetzt nicht, wo Graham tot ist. Wenn ich vor ihm gestorben wäre, wäre unser Anteil an ihn gefallen, doch in diesem Fall beerben wir ihn. Diese Klausel war Teil von Alans Testament.» Er fasste sie am Kinn und gab ihr einen zarten Kuss. «Sollte mir etwas zustoßen, bist du auf jeden Fall versorgt. Ich muss jetzt los. Ich werde versuchen, zum Mittagessen wieder hier zu sein. Bye!»
Sally blickte ihm nach. Kaum war Alex hinter der letzten Biegung verschwunden, wich alle Müdigkeit jäh aus ihren Zügen, und ein zorniger Ausdruck trat auf ihr Gesicht. Sie stampfte zurück zum Haus, riss drei lange Geißblattranken von der Wand und zerrupfte sie im Gehen, so dass überall verstreut Blüten und Blätter lagen.
Irene
Weitere Kostenlose Bücher