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NachSchlag

NachSchlag

Titel: NachSchlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Ippensen
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seien es türkisfarbene Schlangen, die durch kristallenen Flötenklang gezähmt werden könnten?«, schlug er ruhig vor.
    »Ja.« Voller Bewunderung sah sie ihn an. Er sprach ihre Sprache. Das Bild hatte er aus ihren Augen gepflückt; er hatte es darin lesen können.
    »Und der Name dieser Flöte war … Doch warte.« Unvermittelt wurde seine Stimme wieder streng, obwohl er sie nicht hob. Seine Finger packten stärker zu, pressten die Fesselstriemen, so dass Lea sich auf die Lippen biss. Allerdings tat sie das abwesend; auch versuchte sie nicht, sich freizuwinden, und der erinnernde Glanz blieb in ihrem Blick.
    »Du kannst mir nicht erzählen, du hättest alles bis ins kleinste Detail so ersonnen, Lea. Da waren Unwägbarkeiten im Spiel, der Abend mit Herrn Rizzi und seinem bedauerlichen oder hochwillkommenen Ableben, je nach Perspektive, war doch in keiner Weise vorhersehbar!«
    »Das hätte ich auch nie behauptet«, erwiderte Lea augenblicklich stolz, fast hochmütig.
    Es zuckte um Armands Mundwinkel. Seine innere Spannung wollte sich fast entladen, er wusste nur nicht, wozu er sich hinreißen lassen würde, zu einer Ohrfeige, einem Lachen?
    Er tat keins von beidem. Stattdessen ließ er sie los, und umgehend nahm sie ihre Wanderung wieder auf, einem geschmeidigen Raubtier gleich. Ihre kleine zarte Rechte hämmerte, zur Faust geballt, in die Fläche der Linken.
    »Nein, ich wusste, das Universum würde für eine Balance sorgen und mir beistehen. Alles, was ich zu tun hatte war, hellwach zu bleiben und die Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen, wenn sie sich zeigen würde.« Sie sprach mit absoluter, felsenfester Sicherheit in der Stimme.
    Jetzt verstand der Beamte, weshalb sie so überzeugend geklungen hatte, als sie das erstmals erwähnt hatte. Und ehe sich die Dinge zu ihren Gunsten wendeten und ihrem Racheplan »in die Hände spielten« … also ehe Herr Rizzi nebenan umfiel, kurz nachdem ihre Mutter ihren kleinen Kollaps erlitten hatte – als sich der Weg zur Erfüllung ihres GENIALEN Planes noch nicht abzeichnete … da musste es ihr wahrhaftig so vorgekommen sein, als sei das ziemlich schäbig vom Universum gewesen, einfach nur den Alkoholiker-Nachbarn krakeelen zu lassen …
    Aber dann war ihre Stunde gekommen.
    »Hattest du irgendwelche Skrupel oder Bedenken?«
    Sie sah ihn finster an, und er glaubte die türkisgrünen Schlangen zischen zu hören.
    »Nein. Nicht eine Millisekunde lang.«
    Plötzlich schluckte sie. »Ich weiß, wie sich das anhört. OH MEIN GOTT, Armand – ich schwöre dir, ich war unvorbereitet. Als diese Seite in mir ausbrach. Und ich hatte solche Angst, das würde ALLES kaputtmachen … trotzdem konnte ich nicht aufhören. Ich musste weitermachen, den Plan bis zum Ende durchführen.«
    In diesem Moment begriff Armand den gesamten Rest, alles, was noch fehlte. Ihm war selbst nicht ganz klar wieso, denn ihre Rede wurde jetzt ja eher wirr und nur noch von vagen allgemeinen Andeutungen geprägt.
    Jedoch spürte er, wie sich durch sein intensives Zusammensein mit ihr lang verborgene, fest verschlossene Kammern in seinem Innersten zu öffnen begannen: jene Kammern der Empathie, die beinahe schon an Hellsicht grenzten.
    Ein ebenso sonniger wie ironischer Gedanke blitzte in ihm auf: »Durch das Verhör mit ihr und die Art, wie sie mitgeht, werde ich so einfühlsam, dass jedes weitere Spiel höchsten Genuss verspricht …«
    Und er dachte noch: »Ich kann es kaum erwarten.«
    Dann sprudelte es aus Lea hervor, das, was er schon erahnte, ehe sie es aussprach: »Ich musste es ausleben, das Böse, doch danach wollte ich es töten und wieder verscharren. Konnte mich nicht dazu bekennen. Die harte, kalte, rücksichtslose Seite, mit deren Hilfe ich mich an meiner Mutter rächen konnte, ich lehnte sie ab. In Panik. In enormer Furcht: nie mehr dieses sanfte Dahinschmelzen spüren, Hingabe fühlen zu können … dass es nie mehr möglich wäre, jenes herrliche Prickeln zu erleben, wenn mein Herr mich nimmt und zähmt und unterwirft. Ja, ich dachte: Es wird mich unfähig machen, eine hingebungsvolle Frau zu sein.«
    Seelisch und physisch vollkommen erschöpft, blieb sie stehen, schwankte, sank zu Boden wie ein Seidentuch, das man fallenlässt.
    Bewundernd sah Armand sie an.
    Kniete dann neben ihr nieder, hob ihr Kinn.
    Erstaunlich schnell fasste sie sich und erwiderte seinen Blick klar. Ein paar Tränen hingen an den kleinen, kurzen und doch geschwungenen Wimpern ihres unteren Augenlides. Er hatte Lust, ihre

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