Nachsuche
Er hatte das Grundstück von einem gewissen Walter gekauft. Der Mann war eben erst verstorben. Die Unterlagen sind durch ein Versehen in meine Hände gelangt. Ich habe mich gewundert, aber es hat mich nicht weiter interessiert. Für mich war nur eines wichtig: Dieser Auftrag. Das war etwas, wovon ein Architekt sein Leben lang träumt. Ich sage Ihnen, der Doktor versteht etwas vom Bauen. Das ist ein Kenner. Ich habe ihm ein Haus hingestellt, topmodern, einen flachen weißen Kubus, reinster Bauhausstil. Mitten in einer Rasenfläche. Auf der einen Seite wollte er einen kleinen Weiher und als Grundstücksbegrenzung einen Bambushain. Großartig, ich sage Ihnen, einmalig. Das Haus hatte im Erdgeschoss einen einzigen großen Raum mit einer wunderbar geschwungenen offenen Wendeltreppe in der Mitte. Ach, ich wollte, ich hätte öfter so bauen können.«
Der Architekt gerät ins Schwärmen, dass Noldi Mühe hat, ihn zu bremsen. Er bedankt sich für die Information und kaum hat er aufgelegt, lässt er sich mit der zuständigen Stelle im Bauamt verbinden. Er will den Kaufvertrag möglichst sofort sehen. Wenn da etwas zwischen Niederöst und Berti gelaufen sein sollte, unmittelbar nach dem Tod des Alten, steckt vielleicht mehr dahinter, als der gute Doktor bis jetzt zuzugeben bereit war.
Dann steht Ilse Biber vor ihm, pünktlich zur vereinbaren Zeit. Sie sagt: »Da bin ich, wo ist das Protokoll?« Doch das interessiert Noldi im Moment nicht. Stattdessen fragt er, ob Berti nie von ihrem Vater gesprochen habe.
Ilse kichert nervös.
»Oh ja«, meint sie. »Einmal, da hat sie behauptet, sie habe ihn erstickt. Sie hat zu mir gesagt, du bist Krankenschwester, du verstehst das. Dir kann ich es erzählen. Weißt du, mir hat es gereicht. Ich habe ihr nicht ganz geglaubt, habe gefragt, und das hat keiner bemerkt? Was war mit dem Arzt, der den Totenschein ausgestellt hat? Daraufhin hat Berti nur gelacht.«
»Und?«, fragt Noldi atemlos. »Mehr haben Sie nicht herausgebracht.«
»Nein«, gesteht Ilse Biber mürrisch. »Aber wenn Sie mich fragen, ist sie nicht mit dem Doktor ins Bett gegangen.«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragt Noldi.
»Na, Sie haben sie gesehen.«
»Da war sie schon tot«, wirft Noldi ein.
»Ja, aber sehr viel besser hat sie lebend auch nicht ausgeschaut. Es muss etwas anderes gewesen sein.«
»Und Sie haben keine Vermutung?«, bohrt Noldi nach. »Geld vielleicht. Sie war nicht gerade arm.«
»Nein«, sagt Ilse Biber nachdenklich, »das war sie nicht.« Und plötzlich lebhaft: »Wer erbt eigentlich?«
»Ich weiß nicht«, antwortet Noldi zögernd, »ob sie ein Testament gemacht hat. Noch ist keines aufgetaucht.«
»Aha«, sagt Ilse Biber.
Noldi denkt, die wird sich doch keine Hoffnungen machen, nachdem sie der armen Berti den Freund ausgespannt hat.
Dann kommt ihm eine Idee. Vielleicht ist der Grund für Bertis Tod gar keine Liebesgeschichte, sondern jemand hat sie wegen ihres Geldes umgebracht. Wenn ja, wer?
Er erkundigt sich bei Ilse Biber, ob sie etwas von irgendwelchen Verwandten weiß.
»Nein, nichts«, antwortet Ilse unwirsch.
»Und andere mögliche Erben?«
»Vielleicht dieser gewisse Doktor. Fragen Sie den einmal.«
»Sie meinen, Berti hätte den Totenschein gekauft? Das glauben Sie doch selbst nicht.«
Ilse Biber lacht. »Fragen Sie ihn doch. Fragen kostet nichts.«
Das stimmt, denkt Noldi. Er ist hin- und hergerissen zwischen Triumph und Skepsis und weiß, da kann er sich leicht in die Nesseln setzen. Aber einen Versuch ist es immerhin wert.
Er stattet Niederöst in der Praxis einen weiteren Besuch ab.
»Herr Doktor«, sagt er freundlich, »Sie haben damit gerechnet, dass ich früher oder später Ihren Zeitraster überprüfen würde. Er stimmt hinten und vorne nicht. Aber das wissen Sie besser als ich.«
»Keine Ahnung, was Sie meinen«, antwortet der Arzt halbherzig.
»Gut, dann rekapitulieren wir. Als Berti zwölf war, gab es noch keinen Eugen Walter in Brütten. Der hatte damals noch sein Ingenieurbüro in Stuttgart. Das lässt sich leicht feststellen.«
Niederöst lächelt an Noldi vorbei.
»Da muss ich mich geirrt haben«, meint er.
»Kommen Sie, Herr Doktor«, mahnt Noldi immer noch freundlich.
»Ja, vermutlich ist mir etwas durcheinandergeraten. Das mit der Besichtigung in Brütten stimmt. Mein Vater hat dort oben tatsächlich ein Grundstück angeschaut. Und ich habe ihn begleitet.«
Noldi räuspert sich.
Endlich hebt Niederöst den Blick.
»Wissen Sie was, Herr
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