Nachsuche
zusammen. Also, wer bleibt ihm noch, wenn Kläui wegfällt? Und der Doktor, von dem er glaubt, dass er zu klug für eine solche Dummheit ist.
Aber wer war es dann? Kläuis Frau? Rüdisühli? Dessen Frau? Die Pfählers, einer von ihnen oder beide zusammen?
Bertis Leiche ist vom Institut für Rechtsmedizin freigegeben worden. Das teilt Hans Beer an der morgendlichen Teamsitzung mit.
»Weißt du, wer die Beerdigung übernimmt?«, fragt er Noldi.
»Keine Ahnung«, antwortet der. »Vielleicht die Freundin oder das Ehepaar Pfähler. Wenn nicht noch jemand von der Verwandtschaft auftaucht.«
»Gehst du hin?«
»Klar«, sagt Noldi.
»Vielleicht kommt der Mörder auch«, meint sein Chef.
»Oder die Mörderin«, ergänzt Noldi der Vollständigkeit halber.
Beer lacht. Dann wird er ernst.
»Zum Glück hast du sonst im Moment nicht viel um die Ohren. Das gibt dir wenigstens Zeit für den Fall.«
Nachdenklich sagt Noldi: »In Kriminalfilmen sind Detektive immer zu zweit. Die können ihre Arbeit miteinander besprechen. Ich weiß manchmal nicht, wo mir der Kopf steht vor lauter Mutmaßungen, Verdächtigungen und Überlegungen.«
»Dann rede mit mir«, sagt Beer. »Im Übrigen haben wir oft genug erlebt, dass du dich am besten allein durchschlägst.«
»Ja, ich weiß«, gibt Noldi resigniert zu.
»Also«, sagt Beer, »komm in mein Büro. Dann sagst du mir, wo es klemmt.«
»Nein«, wehrt Noldi ab. »So geht das nicht. Ich wüsste nicht einmal, wo anfangen.«
»Irgendwo«, bietet der Chef ihm an. »Ich stelle dann Fragen.«
Noldi schaut ihn an. »Entschuldige, ich muss jetzt weg«, sagt er, »zur Trauerfeier für meine Leiche.«
Allerdings sorgen weder die Freundin noch das Ehepaar Pfähler für die Abdankung, sondern die beiden Frauen aus dem Coiffeursalon Frisco. Und ob der Mörder oder die Mörderin daran teilnimmt, kann Noldi bei bestem Willen nicht erkennen.
Der Tag ist trocken und grau, aber für das sonst milde Klima in Weesen kalt.
Noldi kommt früh. Er stellt das Auto auf den Parkplatz am See und geht an den Dominikanerinnen und dem Coiffeurladen Frisco vorbei, an dessen Tür ein handgeschriebener Zettel hängt. Darauf steht: »Wegen Todesfalls geschlossen«. Gemächlich steigt er den kleinen steilen Weg zwischen Trockenmauern und Gärten mit ein paar Reben hinauf zur Kirche. Ab und zu raschelt unter seinen Füßen das trockene Weinlaub.
Die Luft in der nüchternen protestantischen Kirche riecht abgestanden, so als wäre schon lange niemand mehr in dem Raum gewesen. Noldi hält sich hinten im Schatten der Empore und beobachtet den Einzug der kleinen Trauergemeinde. Als Erste kommt Elsbeth Wehrli, ganz in schwarz, und neben ihr ein Mann, dessen Anblick Noldi elektrisiert. Der Kläui, denkt er verwirrt. Das kann nicht sein, nicht der Kläui. Dann begreift er, wen Hanna Egloff mit Berti vor der Pizzeria gesehen hat. Der Mann, bei dem sich Elsbeth Wehrli eingehängt hat, schaut dem Notar ähnlich, aber nur im ersten Augenblick. Betrachtet man ihn genauer, bleibt nicht viel davon übrig. Vor allem ist er älter als der Notar, kleiner und er wirkt kraftlos. Er zieht kaum merklich das linke Bein nach.
Den beiden folgt Mariola, ebenfalls in Schwarz. Sie schwankt ein wenig auf ihren hohen Absätzen, zieht frierend die Schultern hoch. Die beiden Frauen fühlen sich sichtlich befangen, schauen sich verstohlen um, bevor sie sich in die erste Reihe setzen. Außer ihnen ist jedoch niemand da, der Anspruch auf die vorderen Plätze erhebt. Die Pfählers kommen spät. Corinna trägt den Kopf hoch, aber sie tut es so selbstverständlich, dass sie nicht eingebildet wirkt. Bevor sie sich setzt, wirft sie die Haare zurück und mustert ungeniert die anderen Trauergäste. Kevin folgt ihr eilig, rückt nahe an sie heran. Er wirkt einerseits sehr jung, andererseits strahlt er eine unverhüllte siegessichere Männlichkeit aus. Sie sitzen so weit hinten, dass man meinen könnte, sie gehörten nicht zur übrigen Gesellschaft. Als Nächster erscheint Niederöst. Er geht ganz nach vorne und setzt sich in die zweite Reihe, nicht hinter das Ehepaar Wehrli und Mariola, sondern auf die andere Seite des Mittelganges, wo er ganz allein ist. Er schlägt die Beine übereinander. Weder Rüdisühli noch Ilse Biber tauchen auf. Auch der Notar fehlt, der liegt im Wachkoma. Sonst sieht Noldi nur etliche unbekannte Frauen, von denen er vermutet, dass sie Kundinnen in Bertis Coiffeursalon sind.
Es ist keine feierliche Zeremonie. Die paar Worte,
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