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Nachsuche

Nachsuche

Titel: Nachsuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuhn Kuhn
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beschäftigt, Tee nachzuschenken. Er weiß, es kränkt sie genau wie ihn, dass der Junge ihnen beiden nicht mehr vertraut. Aufmunternd sagt er: »Das war großartig, was ihr da geleistet habt, du und Bayj. Ihr seid richtige Helden. Ihr habt wahrscheinlich ein ganz wichtiges Beweisstück gefunden. Aber warum in aller Welt, hast du nicht gleich gesagt, wo ihr wart? Statt eine Woche daran herumzuwürgen und dich zu plagen.«
    Da ist er jetzt, der heikle Augenblick. Aber Pauli ist so im Schuss, dass er sich nicht lange besinnt. »Wollte ich gar nicht«, sagt er. »Ich wollte euch wirklich nicht anlügen. Aber ich habe Angst gehabt, ihr lasst mich nie wieder mit Bayj allein spazieren gehen, weil wir zu spät zurückgekommen sind. Und dann ist es dumm gelaufen.«
    Noldi und Meret werfen einander einen blitzschnellen verstohlenen Blick zu. Jetzt ernst bleiben, heißt das.
    Pauli bemerkt nichts. Er ist unendlich erleichtert.
    Da sagt seine Mutter, um sein Glück vollkommen zu machen: »Viertel vor sieben ist Abmarsch. Die Tante hat uns zum Abendessen eingeladen. Sie hat gesagt, der Bayj will dich sicher gerne sehen.«

    Als Bayj den Jungen sieht, beginnt er zu schwänzeln, dass es ihm das Hinterteil nur so hin- und herreißt. Er rast um Pauli herum, jault zwei Mal laut auf vor Freude und springt an ihm hoch, um ihm das Gesicht abzulecken. Er weiß, ein anständiger Hund tut das nicht, doch an diesem Freudentag ist auch das gestattet. Pauli streichelt ihn, krault ihn, flüstert ihm ins Ohr, braver Hund, braver Bayj, was hast du nur wieder Dummes angestellt. Bayj winselt einerseits aus reinem Vergnügen, andererseits plagt ihn das schlechte Gewissen. Ihm ist klar, es war nicht recht, einfach abzuschleichen und die ganze Nacht auf eigene Faust zu jagen. Die Versuchung war zu groß. Er wäre sogar schon früher zurückgekommen, hätte ihn der Kerl nicht auf seinem Hühnerhof erwischt und in den Kohlenkeller gesperrt. Bayj ist ihm nur mit viel Glück wieder entkommen. Danach wäre er noch so gern direkt nach Hause gelaufen und hätte sich in seinem Korb verkrochen. Aber in der Nähe des Hauses ist er umgekehrt und noch eine Nacht draußen herumgestreunt. Er genießt Paulis Liebkosungen. Sie sitzen nebeneinander auf dem Sofa. Bayj hält seine Pfote auf Paulis Knie und der Junge hat seinen Arm um den Hund gelegt. Auch beim Essen darf Bayj bei Pauli unter dem Tisch liegen. Jedesmal, wenn der Onkel es nicht sieht, steckt der Junge ihm einen Happen zu. Da die Tante bemerkt, wie Pauli das Essen an den Hund verfüttert, legt sie ihm ebenso heimlich noch ein Stück Braten auf den Teller, damit er nicht zu kurz kommt.

6. Polizist im Kloster
    Am nächsten Morgen fährt Noldi als Erstes zum tibetischen Kloster. Er stellt den Wagen auf den Parkplatz vor dem Haus und geht über die kleine geschwungene Brücke. Beim Eingang läutet er zweimal vergebens. Kein Mensch zu sehen. Die Mönche, denkt er, sitzen im Tempel oder beim Frühstück. Um sich die Zeit zu vertreiben, macht er einen Rundgang um das Kloster.
    Das Gebäude steht an einem steilen Hang. Ein kleiner holpriger Weg führt im Bogen um das Haus. Noldi schlägt ihn ein und gelangt zu dem freien Platz vor dem untersten Geschoss, in dem sich der Tempel befindet.
    Er erinnert sich noch gut daran, wie er einmal aus Langenhard hinunter nach Rikon kam und zum ersten Mal auf dem Bahnhof Gestalten in fremdländischen Gewändern entdeckte.
    Der Lehrer erzählte ihnen, die Chinesen hätten die Tibeter aus ihrem Heimatland vertrieben. In Massen seien sie zu Fuß über die Schneeberge des Himalaja nach Nepal geflüchtet. Aber das Land, in das sie kamen, war so arm, dass es nicht einmal die eigenen Leute ernähren konnte, geschweige denn so viele Flüchtlinge. Deshalb hätte der schweizerische Bundesrat beschlossen, Tausend von ihnen ins Land zu lassen. Auf diese Weise seien die Tibeter auch nach Rikon gekommen, wo ihnen die Besitzer der Pfannenfabrik Wohnungen und Arbeit zur Verfügung stellten. Ungefähr ein Jahr später hieß es dann, in Rikon würde ein buddhistisches Kloster gebaut. Die alteingesessenen Bauern in Langenhard schüttelten die Köpfe. Im Übrigen kümmerte man sich dort oben nicht groß um das, was unten im Tal vorging. Wieder ein Jahr später wurde das Kloster geweiht und Mönche zogen ein. Später kam dann zum ersten Mal ihr Oberhaupt auf Besuch. Noldi kennt kaum einen, der damals in Rikon die Schulbank drückte und nicht irgendwo zu Hause noch ein Gruppenfoto mit dem Dalai

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