Nachsuche
immer. »Klar«, sagt sie, »das ist alles, was er auf Deutsch weiß, das und ›alles gut‹. Du hast es gehört. Aber wenn du möchtest, erzählst du mir, was du auf dem Herzen hast. Vielleicht kann ich dir helfen. Vielleicht gehst du aber lieber in den Tempel«, sagt sie im Plauderton. Für sie scheint es das Natürlichste der Welt, dass ein Mönch einen Jungen bei ihr abliefert, der nicht weiß, was er will. »Dort kannst du alles anschauen und eine Weile bleiben.«
Pauli ist immer noch zu keinem Entschluss gelangt.
»Ich möchte den Tempel anschauen«, sagt er, um Zeit zu gewinnen.
Erika führt ihn die enge Holztreppe wieder hinunter. Diesmal geht es noch zwei Stockwerke tiefer. Dort kommen sie in einen schmuddeligen Vorraum, wo bis hoch hinauf weinrote Kissen gestapelt sind.
»Pass auf«, sagt Erika, »da ist eine Stufe.«
Sie öffnet die Tür und sie stehen im Tempel. Lichter brennen, es riecht nach Räucherstäbchen und es ist sehr still.
»Schau dich ruhig um«, lädt die Frau ihn ein. »Ich geh’ dann wieder. Wenn du mich brauchst, ich bin oben.«
Und weg ist sie.
Pauli steht allein da. Schließlich zieht er die Schuhe aus, geht im Raum herum. Vorne befindet sich ein Tisch, darauf brennen Lichter in kelchartigen Gefäßen. Es gibt Blumen, manche schon verwelkt, und große runde Schalen voll Wasser. In einer Glasvitrine thront in der Mitte ein großer Buddha. Er ist in Brokattücher gewickelt, so dass Pauli seinen Körper nicht sehen kann. Rechts und links von ihm stehen zwei Statuen und darunter sitzen in einer langen Reihe kleinere Buddhas, einer neben dem anderen. Pauli klettert die Stufen zum Altar hinauf und vergleicht sie mit seiner Figur. Sie sehen alle anders aus. Die einen haben Mützen auf dem Kopf, andere eine Art Hüte und noch andere einen blauen Haarknoten wie die große Figur in der Mitte.
Pauli steigt die paar Holzstufen ohne Geländer wieder hinunter. Auf dem Boden liegt ein riesengroßer blauer Teppich mit Blumenmuster. Pauli findet ihn schön. Er geht auf ihm herum, dann setzt er sich genau in die Mitte. Er fühlt sich fremd. Aber es ist warm und ruhig. Ob Bayj es auch so gemütlich hat, denkt er schläfrig. Als ihm der Kopf auf die Brust fällt, schreckt er hoch. Er rappelt sich auf, zieht die Schuhe wieder an und tappt im Treppenhaus, das jetzt dunkel ist, zurück ins oberste Stockwerk. Im Sekretariat angekommen, hält er Erika seine Figur unter die Nase.
»Da, den habe ich gefunden. Gehört der Ihnen?«
Erika nimmt ihn und dreht sich damit zum Licht und dann sagt sie, wie aus der Pistole geschossen: »Der gehört der Berti Walter.«
Pauli schnappt nach Luft. »Sie kennen die?«, japst er.
»Ja, ich erinnere mich genau«, antwortet Erika, »weil die Figur so kurios ist. Ein Buddha mit Brüsten. Das gibt es gar nicht.«
Plötzlich schaut sie ihn scharf an und fragt: »Ist dir nicht gut? Du bist ganz weiß im Gesicht.«
»Nein«, stammelt Pauli. Jetzt wird er rot vor Verlegenheit, weil man ihm immer alles ansieht.
»Nein, sicher nicht. Ich bin nur vom Himmerichweiher heraufgeklettert. Das war ganz schön heftig.«
Erika geht zu ihrem Schreibtisch, kramt in einer Schublade. Dann legt sie einen Schokoriegel vor ihn hin. »Da«, sagt sie. »Wenn du magst.«
Pauli stopft den Riegel gierig in sich hinein. Mit vollem Mund fragt er: »Und wo wohnt diese Berti Walter? Ich könnte ihr den Buddha bringen.«
Jetzt ist er stolz, weil er so geschickt reagiert.
»Keine Ahnung«, antwortet Erika. »Ich weiß einzig, dass sie in einem Haus gewohnt hat. Aber von dort musste sie weg. Wir haben immer nur per E-Mail verkehrt.«
Sie geht an den Computer, hämmert ein wenig auf die Tasten, schaut den Bildschirm an. Nach einer Weile sagt sie: «Tut mir leid, alles schon gelöscht. Und ihre neue Adresse hat sie uns nie gegeben. Aber, sag, wo hast du diesen Anhänger her?«
Pauli antwortet ein wenig unsicher: »Gefunden, unten im Dorf.«
»Komisch«, meint Erika, »sie war schon ewig nicht mehr hier. Genauer gesagt, nie mehr, seit sie ihre Buddha-Sammlung bei uns abgeliefert hat. Sie sagte, sie sei gezwungen die Figuren zu verschenken, weil sie aus dem Haus müsse.«
Plötzlich fragt Pauli: »Kann ich den da behalten?«
Erika lacht. »Aber gern. Berti kannst du ihn nicht zurückgeben, weil wir nicht wissen, wo sie jetzt wohnt. Wenn du willst, kannst du dir sogar noch einen von ihrer Sammlung aussuchen.«
»Wieso?«, fragt Pauli verständnislos.
Erika zuckt mit den Schultern.
»Die
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