Nachsuche
Mönche wollen sie nicht, weil es keine tibetischen Buddhas sind. Komm, ich zeige sie dir.«
»Nein, danke«, sagt Pauli höflich. »Vielleicht ein anderes Mal. Jetzt muss ich gehen.«
Er galoppiert den Berg hinunter und schnurstracks nach Hause.
In der Stube sitzen Noldi, Meret und Fitzi. Auf dem Tisch steht die dampfende Teekanne. Meret schneidet gerade den Kuchen an.
»Die Frau heißt Berti Walter«, platzt Pauli heraus. Dabei legt er das Amulett vor seinen Vater hin. »Und das gehört ihr. Ich habe es gefunden, dort im Wald. Nein eigentlich war es Bayj. Bayj hat es gefunden. Bayj.«
Damit dreht er sich um und rennt aus dem Zimmer. Noldi und Meret tauschen einen Blick. Dann stehen sie beide auf und folgen ihrem Sohn.
Der Junge steht auf dem Flur und kickt mit der Fußspitze gegen die Wand. Er will um nichts in der Welt jetzt losheulen.
»Pauli«, sagt die Mutter hinter ihm. »Bayj ist wieder da.«
Pauli dreht sich ganz langsam um.
»Wieder da, ehrlich?«
»Ja«, bekräftigt Noldi.
»Bayj«, sagt Pauli. Seine Stimme kippt. Und jetzt weint er.
Endlich, denkt seine Mutter, nimmt ihren Jungen in den Arm. Sein Vater streicht ihm über den Kopf. Beide sind gerührt, dass sie den Sohn wieder einmal halten dürfen, und wissen nicht recht, wie weiter.
Da ruft, genau im richtigen Moment, Fitzi aus der Stube: »Der Tee wird kalt.«
Pauli schnieft laut und vernehmlich und Noldi sagt: »Jetzt erzähl endlich.«
Sie gehen wieder in die Stube, allen voran Pauli, der strahlt wie ein Maikäfer. Er fürchtet sich nicht mehr vor dem Donnerwetter, welches sein Vater vermutlich gleich loslassen wird, wenn er hört, dass der Sohn gelogen hat. Nein, nicht wirklich gelogen, nur ein wenig geschwindelt. Pauli fürchtet sich vor nichts mehr. Bayj, sein Freund, ist wieder da.
Sie setzen sich an den Tisch, wo Fitzi den Tee einschenkt. Sie hat für ihren kleinen Bruder eine Tasse hingestellt. Ein besonders dickes Stück Kuchen liegt auf seinem Teller.
Pauli fragt noch einmal, um ganz sicher zu gehen: »Und Bayj ist wirklich wieder da?«
»Ja«, sagt Noldi, »der Onkel hat vor einer halben Stunde angerufen. Er wollte es dir persönlich sagen, aber du warst unterwegs. Deshalb soll ich dir ausrichten, der Bayj ist gesund und munter, schwarz wie aus dem Kohlenkeller und völlig ausgehungert.«
Pauli lacht. »Da wird ihn die Tante in den Waschtrog stecken. Das hat der arme Kerl gar nicht gern.«
Damit beißt er voll Heisshunger in den Kuchen und erzählt mit vollem Mund, wie er und Bayj in den Wald im Neubrunnertal gegangen sind, wie er kopfüber den Hang hinuntergefallen ist und Bayj im Laub den Anhänger gefunden hat. Stolz reißt er ihn aus dem Sack und hält ihn allen hin.
»Potz heitere Fahne«, sagt Fitzi, die bekannt für ihre komischen Sprüche ist.
»Und die im Kloster haben den Anhänger wirklich erkannt?«, fragt Noldi.
»Die Sekretärin«, berichtigt Pauli. »Sie heißt Erika und ist eine ganz Nette. Sie hat mir einen Schokoriegel geschenkt. Der Mönch, den ich getroffen habe, hat nur immer ›jaja‹ gesagt. Der kann nämlich nicht Deutsch. Er hat den Anhänger nicht einmal angeschaut.«
Noldi dreht den Buddha zwischen den Fingern. »Wie heißt die Frau?«, fragt er.
»Berti Walter«, antwortet sein Sohn. »Erika hat gesagt, diese Berti hat den Anhänger um den Hals getragen. Sie erinnere sich deshalb genau, hat sie gesagt, weil es ein Buddha mit Brüsten ist. So einen gibt es gar nicht.«
»Berti Walter«, wiederholt sein Vater, nachdenklich. »Und was hat diese Erika sonst noch gewusst?«
»Sie hat gesagt, die Berti Walter wollte nicht damit herausrücken, wo sie jetzt wohnt. Sie hat ein Haus gehabt und musste ausziehen. Deshalb hat sie dem Kloster ihre Buddha-Sammlung geschenkt«, berichtet Pauli. »Aber die Mönche haben keine Freude daran, weil sie nicht tibetisch sind. Und die Frau ist auch nicht mehr gekommen. Sie hätte immer nur E-Mails geschrieben, die inzwischen gelöscht sind.«
»Aha«, macht Noldi. »Jetzt sag mir noch etwas anderes. Wieso bist du überhaupt mit dem Anhänger ins Kloster gegangen?«
Jetzt, denkt Pauli, jetzt wird es brenzlig.
Da sagt Meret: »Ich habe ihn geschickt.«
»Ich habe geschwindelt«, fällt Pauli ihr mutig ins Wort. »Ich habe gesagt, ich hätte den Anhänger in Rikon auf der Straße gefunden.«
»Deshalb habe ich gemeint, der gehört denen oben im Kloster. Und Pauli sollte ihn zurückbringen«, sagt Meret.
Noldi schaut seine Frau an, doch die ist damit
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