Nachsuche
wichtig, dass die Kasse stimmt und die Kunden zufrieden sind. Das Geschäft läuft und sie zahlt gut. Jetzt sind wir dabei, zu expandieren. Nebenan im Erdgeschoss werden zwei Räume frei. Berti ist begeistert von der Idee. Wir wissen schon genau, was wir machen wollen. Wir werden noch jemanden für Kosmetik einstellen.« »Und«, sekundiert Mariola, die sich wieder zu ihnen gesellt hat, mit verklärtem Blick, »wir richten eine Kaffeebar ein.«
Sie lächelt Noldi aus ihren schwarz umrandeten Augen an und erinnert ihn an ein einsames Eichhörnchen.
»Nur Kaffee, Tee, Snacks, keine warme Küche«, sagt jetzt wieder Elsbeth Wehrli.
»Berti hat vorgeschlagen, wir könnten dazu Obst anbieten, vom Apfel bis zu exotischen Früchten. Eventuell frisch gepresste Säfte. So etwas liegt heute im Trend. Wir haben ausgemacht, jede von uns denkt sich ein paar gute Namen für den neuen Laden aus. Es muss etwas Rassiges sein.«
Bei ihrer Sitzung am Mittwoch wollten sie darüber diskutieren. Berti hatte schon Kostenvoranschläge für den Umbau erstellen lassen. Alles war abgemacht und der Tisch in der Fischerstube für das Essen nach der Sitzung schon bestellt. Nur Berti kam nicht. Sie versuchten, sie zu Hause zu erreichen, dachten, sie hätte den Termin vergessen, obwohl ihr das nicht ähnlich sah. Niemand hatte abgehoben. Das Handy war ausgeschaltet. Sie riefen im Restaurant an, dachten, sie hätten sich im Datum geirrt.
Die Reservierung stimmte, aber Berti meldete sich auch dort nicht.
»Am nächsten Morgen«, erzählt Mariola, »bin ich zu Bertis Wohnung, ich habe geklingelt, gerufen, gewartet. Im Briefkasten lag ein Haufen Post. Da habe ich Angst bekommen, bin schnell hierher in den Salon und wir haben die Polizei verständigt.«
»Und jetzt«, sagt Elsbeth Wehrli mit belegter Stimme, »jetzt heißt es, sie ist tot.«
»Die Berti tot!«, schrillt es hinten aus dem Coiffeurstuhl. Und schon steht die alte Dame mit den Lockenwicklern im Haar vor ihnen.
»Das gibt es nicht. Das kann nicht sein«, sagt sie atemlos. »Ich habe sie gerade noch gesehen.«
Noldi dreht sich zu ihr herum.
»Sie haben Frau Walter gesehen?«, fragt er. »Wann?«
»Kann nicht lange her sein«, sagt sie triumphierend, »sonst hätte ich es vergessen. Mein Gedächtnis ist nicht mehr, was es einmal war. Ich glaube, es war kurz nach Mittag. Ja, klar, ich habe meinen Verdauungsspaziergang gemacht. Wissen Sie, den mache ich jeden Tag, bei jedem Wetter. Nur wenn es einmal eisig ist, lasse ich es bleiben. Ich will nicht stürzen. In meinem Alter kann man sich das nicht mehr leisten. Da muss man vorsichtig sein. Aber sonst gehe ich immer hinunter an den See. Ich füttere die Enten mit altem Brot. Jetzt in der kalten Jahreszeit sind sie dankbar dafür.«
Langsam steht Noldi auf.
»Darf ich nach Ihrem Namen fragen?«, erkundigt er sich höflich.
Vielleicht, denkt er, hat er eine Zeugin, wofür auch immer.
Die Frau heißt Hanna Egloff und ist, wie sich herausstellt, eine gute Beobachterin, auch wenn sie es mit den Zeiten nicht so genau nimmt.
Sie hat Berti tatsächlich noch am letzten Tag ihres Lebens gesehen. Vor der Pizzeria vom Hotel Walensee, und zwar mit einem Mann. Sie beschreibt ihn recht anschaulich.
Verdammt, der Kläui, denkt Noldi und wird halb verrückt bei dem Gedanken an den Mann, der in seinem Krankenbett liegt, mit offenen Augen, doch unerreichbar. Aber er muss mehr herausfinden, wie auch immer. Denn da ist Bertis Anruf beim Notar, der schwarz auf weiß verbucht ist. Vermutlich sogar ein Treffen. Obwohl die Verbindung zwischen den beiden angeblich längst abgebrochen war. Und am Tag darauf liegt sie tot im Wald.
Noldi notiert, was Hanna Egloff zu sagen hat, und bedankt sich. Kaum ist die Dame befreit von Lockenwicklern, durch die Tür, platzt Mariola schon heraus: »Aber was ist mit Berti eigentlich passiert? Ihre Kollegen haben uns lediglich gesagt, dass sie tot ist.«
»Man hat sie im Wald gefunden, nur mit einem Negligé bekleidet«, sagt Noldi.
Elsbeth Wehrli schlägt die Hände zusammen und schaut Noldi voll Entsetzen an.
Mariola fragt: »Ist sie dort gestorben?«
»Nein«, antwortet Noldi. »Aber wie sie dort hingekommen ist, wissen wir noch nicht.«
»Und woran ist sie gestorben?«, fragt Mariola weiter.
»Vermutlich an einer Überdosis Insulin«, antwortet Noldi.
»Mein Gott«, flüstert Elsbeth Wehrli, »sie war immer so leichtsinnig mit ihren Spritzen.«
Mariola schaut sie von der Seite an.
»Woher weißt du das?«,
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