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Nachsuche

Nachsuche

Titel: Nachsuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kuhn Kuhn
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Rüdisühli kennenlernte, war bereits klar, dass es bei ihr für eine Sportlerinnenkarriere nicht reichte. Sie musste sich anderweitig nach Anerkennung umsehen, die für sie lebensnotwendig war. Sie begegnete ihrem späteren Mann bei einem Schützenfest, an dem sie den ersten Rang nur knapp verfehlt hatte. Der zweite Platz zählte für sie nicht. Sie wollte entweder Erste sein oder gar nichts. Und für den ersten Platz reichte es ihr zu oft nicht. Es war wie verhext. Nicht dass sie nicht gut genug gewesen wäre, daran lag es nicht. Sie verdarb sich den Sieg mit lächerlichen Fehlern, für die sie sich selbst am liebsten geohrfeigt hätte. Möglicherweise waren es die Nerven, die ihr im entscheidenden Moment versagten. Oder etwas in ihr konnte ihr den Erfolg nicht gönnen. So war es auch in der Beziehung zu Rüdisühli. Bei ihrer ersten Begegnung, damals nach dem Schießen, als sie den Sieg um Haaresbreite verfehlt hatte, nahm sie ihn nur zur Rettung ihres Selbstwertgefühls aufs Korn. Er war der Erstbeste, der passabel aussah.
    Er verfiel ihr sofort. Das tat ihrer gekränkten Seele gut. Sie war nicht scharf darauf, mit ihm etwas anzufangen, wollte aber seine Anbetung nicht verlieren. So entschied sie sich, auf Gefühl zu spielen. Zunächst hielt sie ihn hin, reizte ihn mit Ausbrüchen wilder Leidenschaft, wies ihn aber bei jedem seiner Annäherungsversuche im letzten Moment mit der Begründung zurück, dass er ein verheirateter Mann sei. Dabei stiegen ihr sogar echte Tränen der Entsagung in die Augen. Solange er nicht frei war, schien das ein sicheres Spiel zu sein. Ihn brachte es schier um den Verstand.
    Er ließ sich tatsächlich scheiden. Schneller als Ottilia dachte, war sie mit ihm verheiratet. Er lag ihr zu Füßen, und sie genoss seine Anbetung. Nach der Hochzeit erlebten sie eine kurze wilde Zeit miteinander, doch Ottilia hielt die Rolle der leidenschaftlichen Geliebten nicht lange durch. Sie wurde schlampig und träge. So war es kein Wunder, dass er mit der Zeit das Interesse an ihr verlor. Sie wusste es, und es machte sie noch unleidiger. Er müsse sie lieben, so wie sie sei, sagte sie sich trotzig, nur dann würde sie sein Gefühl als Liebe gelten lassen. Gleichzeitig sah sie ein, dass ihre Haltung nicht recht und sogar dumm war. Aber sie konnte nicht anders. Sie steigerte sich in ihr Unglück, ließ sich gehen, verlor den Mann, mit dem sie verheiratet war, immer mehr. Sie beschimpfte und verdächtigte ihn bei jeder Gelegenheit, litt gleichzeitig, wenn er sich zurückzog. Es war ein Teufelskreis. Sie war zornig und verwirrt, und manchmal wusste sie nicht mehr genau, was sie tat. Wenn ihr Mann sich um sie bemühte, stieß sie ihn zurück, wenn er ging, weinte sie oder verfiel in Lethargie. Und in diesem inneren Fegefeuer verlor sie ihr Gefühl. Sie liebte Eduard nicht mehr oder konnte es nicht mehr spüren. Sie sagte sich, so ehrlich war sie zu sich selbst, das ganze Theater, die Eifersucht und Wut seien umsonst, denn in Wahrheit war es ihr egal, was er tat.

    Das Schützenfest ist zu Ende, Mitternacht vorbei. Noldi und Meret sitzen auf dem Weg nach Hause im Auto vor der geschlossenen Bahnschranke in Rikon und warten, dass der letzte Zug, der jede Nacht ohne Licht und Halt von Bauma nach Winterthur fährt, an ihnen vorbeirattert.
    Noldi, seine Kollegen und ihre Frauen haben noch rasch im Schützenhaus aufgeräumt. Der Präsident ist zufrieden über die recht große Beteiligung an dem Schießen und den guten Rechnungsabschluss. Die meisten Einnahmen hat er mit der Werbung im Programmheft erzielt. Alle Geschäfte und Unternehmen in der Umgebung schalten zu so einem Anlass ihre Inserate und bezahlen gut. Das gehört zur Tradition.
    Ottilia Rüdisühli hat einen Kranz geschossen. Sie wirkte fröhlich und gelöst, musste mit allen anstoßen. Davon war sie nicht betrunken, aber leicht angeheitert. Meret benützte die Gelegenheit, gratulierte und setzte sich zu ihr.

    »Nein«, sagt sie jetzt zu ihrem Mann, »sie war es nicht. Sie würde ihn erschießen, ganz bestimmt, aber nicht eine andere Frau. Damit wäre für sie nichts erreicht. Und sie würde sich stellen. Mit dem rauchenden Gewehr in der Hand.«
    »Wie kannst du so sicher sein?«, fragt Noldi erstaunt mit einem Seitenblick auf seine Gattin.
    »Hast du sie nicht bei der Siegerehrung beobachtet?«, fragt Meret zurück.
    »Sie liebt das Rampenlicht und steht gerne auf dem Podest. Kann sein, dass sie eines Tages um sich schießt.«
    »Warum?«, fragt ihr Mann

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